ATAPOW Chapter 82(German)

Kapitel 82 – Vergangene Familienangelegenheiten


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Kapitel 82 – Vergangene Familienangelegenheiten

Die junge Frau trug weiß-goldene zeremonielle Roben, aufwändige und hochwertigen Schmuck, eine dünne Mithril-Brustrüstung, eine Schulterklappe, auf der sowohl ein Schwert als auch ein Familienwappen in Form eines Schildes eingraviert war, höchstwertige Seiden-Socken und abschließend Beinschienen aus dunklem Stahl. Allein die Kosten ihrer Kleidung waren genug, jemand reichen verzweifeln zu lassen.

Auch wenn sie einen neutralen Gesichtsausdruck trug und keinerlei Aura ausstrahlte, wirkte es auf alle, auf die der Blick ihrer violetten, edelsteinartigen Augen fiel, als würden sie tausende Nadeln durchstoßen – wie, als ob sich ein großes Gewicht auf sie gelegt hatte.

Sie war Ji Yue, das zweite Kind des berühmten Feuer-Lanzen-Clans, der seit mehreren Generationen Bischöfe der Tempel-Vereinigung gestellt hatte. Ihr Vater, Ji Feng, war Clan-Oberhaupt in dritter Generation und einer der aktuellen Bischöfe.

Nach Tradition der Tempel-Vereinigung wurde der Hohepriester durch Wahlen bestimmt, während die Bischöfe dafür verantwortlich waren, ihn zu kontrollieren und zu unterstützen. Ihre Positionen wurden vererbt, was dazu geführt hatte, dass sie in verschiedenen Clans von einer Generation an die nächste weitergegeben wurde. Ji Yue würde daher in der Zukunft die nächste Bischöfin des Feuer-Lanzen-Clans sein.

Normalerweise würde der älteste Sohn die Position erben, jedoch war Ji Bai kein vollwertiges Mitglied des Feuer-Lanzen-Clans; Schließlich war er von ihnen adoptiert worden und besaß so keinerlei Blutsbande mit ihnen.

Dies hatte dazu geführt, dass er für seine Kollegen in der Tempel-Vereinigung auch nicht als Mitglied des Clans angesehen wurde. Schließlich war ein adoptierter Sohn am Ende nur ein adoptierter Sohn. Einfach ausgedrückt ein Außenseiter, der nicht einmal im Stammbaum der Familie aufgelistet werden würde.

Jemand ohne Möglichkeit, die Blutlinie fortzusetzen, konnte nicht einmal hoffen, von Mitgliedern des Clans als gleichwertig behandelt zu werden. Auch wenn sie einen stets mit Respekt behandelten, so konnten dies dennoch nicht über die stets präsente Entfremdung hinwegtäuschen. Dies war, was Ji Bai im Laufe der Jahre gelernt hatte.

Es wäre jedoch falsch, zu sagen, dass Ji Bai die Mitglieder des Feuer-Lanzen-Clans hasste; Schließlich waren sie es gewesen, die ihn aufgenommen und großgezogen hatten. Aber zugleich war es auch überhaupt nicht so, dass er sie mögen würde. Seine Beziehung mit dem Clan war hauptsächlich die zwischen einem Begünstigten und seinem Wohltäter. Somit hatte Ji Bai im strengsten Sinne des Wortes keine Verwandten.

Trotz seiner privilegierten Erziehung waren Dinge wie elterliche Zuneigung etwas, was ihm unbekannt geblieben war. Zumindest war er bisher noch nie Ziel von jener geworden.

Als er noch jung gewesen war, war er einmal beim Anblick einer verarmten Frau, die nach Almosen bettelte, in eine Trance gefallen – Obwohl sie ein solch bemitleidenswertes Leben geführt hatte und sogar ihre nächste Mahlzeit in Unsicherheit gehüllt war, war das Lächeln auf ihren Lippen als sie ihr Kind in den Armen gewogen hatte, glücklich gewesen…

Damals war Ji Bai selbst als Zuschauer in der Lage gewesen, die Wärme dieser Emotionen fühlen und den großen Kontrast zu dem eiskalten Gefühl von Geld und gezwungenen Lächeln bei ihm zuhause bemerkt.

Gegenüber seiner nominellen ‚Eltern‘, hatten Ji Bais Gefühle stets auf der Ebene von Dankbarkeit geendet. Auch wenn diese weder zu stark noch zu schwach war, so konnte sie unter Umständen doch als so etwas wie Zuneigung bezeichnet werden.

In der Zeit zwischen seinem Eintreten in die Tempel-Vereinigung bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er den Ritterorden der Strahlenden Ritter etabliert hatte, hatte sich Ji Bai stets nur auf seine persönliche Stärke verlassen. Die ‚Aura‘ eines Clanmitglieds erstreckte sich nicht auf einen adoptierten Sohn und so hatten ihn die Leute, die ihn umgaben, auch nicht als so jemanden behandelt. Und logischerweise hatte es für ihn auch keinen Grund gegeben, sich selbst als ein Mitglied des Clans zu sehen.

Jedoch im Fall seiner kleinen Schwester – der kleinen Schwester, deren Aufwachsen von einem Säugling zu einer Schönheit er persönlich verfolgt hatte – waren seine Gefühle deutlich komplizierter.

Als Mitglieder des Klerus war es offensichtlich, wie beschäftigt ihre Eltern waren. Aus diesem Grund war es quasi Ji Bai gewesen, der seine kleine Schwester aufgezogen hatte. Sie hatte daher ihm gegenüber auch große Zuneigung gezeigt und ihn so schon fast vergessen lassen, dass er im Clan nur ein Außenseiter war. So oder so hatte Ji Bai eigenhändig die Position eines großen Bruders eingenommen und seine kleine Schwester, mit der er keinen Tropfen Blut teilte, wie ein richtiges Familienmitglied behandelt.

Als sie die Phase des Brabbelns hinter sich gelassen hatte und ihn mit ihrer jungen Stimme ‚Bruder‘ genannt hatte, war sich Ji Bai wie die glücklichste Person der Welt vorgekommen.

Er erinnerte sich immer noch genau daran, wie schwierig es für sie gewesen war, Interesse an etwas zu finden. Als sie noch sehr jung gewesen war, hatte sie nichts mehr gehasst als selbst zu essen und sich daher von ihm füttern lassen.

Sie war zudem sehr anhänglich gewesen und hatte ihn stets am meisten gemocht – Als ihren Bruder Ji Bai, welcher sich schon, bevor sie überhaupt laufen konnte, um sie gekümmert hatte. Jedoch als die Zeit verstrich… War Ji Bai klar geworden, dass all dies nur sein eigenes Wunschdenken gewesen war; Sie hatte ihm wohl nicht ein einziges Mal ernst genommen.

Sich an diese Vergangenheit zu erinnern, ließ sein Herz verkrampfen. Sein ganzes Wesen schien sich zu einem tiefen Seufzer zu verklumpen.

In seiner Ganzkörperpanzerung überkamen ihn zahlreiche Gefühle, während er zusah, wie ihm die kleine Schwester, die ihn nun nicht mehr brauchte, näherkam.

Auch wenn die familiäre Zuneigung zwischen ihnen beiden schon längst eine vergangene Erinnerung geworden war, konnte er nicht anders als dies nostalgisch zu beklagen: ‚In so kurzer Zeit bist du schon groß geworden…‘

Rodo war angesichts des wunderschönen, elfengleichen Gesichtes von Ji Yue erstarrt. Doch merkte er bald, dass er sich unhöflich benahm und stand eilig auf, um seinen Gästen die Hand auszustrecken: „Es ist mir eine Ehre Euch zu treffen, meine geehrten Kollegen, die den langen Weg von der Hauptstadt hierher auf sich genommen haben! Mein Name ist Rodo, ich bin der Leiter der Niederlassung der Tempel-Vereinigung hier in Grenzstadt.“

„Ebenfalls.“, ertönte eine süße Stimme als Antwort. Obwohl Ji Yue ihre Augen gesenkt hatte und ihren Körper leicht neigte, schüttelte sie nicht die Hand, die Rodo ihr entgegenstreckte. Ihr Blick fiel stattdessen auf Ji Bai, welcher in seiner vollen Plattenrüstung in der Nähe stand.

„Ha-, haha…“, lachte Rodo verlegen und nahm seine Hand wieder zurück.

Ji Yues Augen wandten sich von Ji Bai ab und wieder Rodo zu. „Vielen Dank für Eure harte Arbeit, Niederlassungsleiter. Mein Name ist Ji Yue. Ich habe die dringende Mission erhalten, mich nach Grenzstadt zu begeben und hier einem Gerichtsprozess vorzustehen.“, stellte sie sich kurz vor. Anschließend signalisierte sie etwas zu einem der beiden erhabenen Ritter neben sich, worauf dieser ihr einen Ordner mit Dokumenten überreichte.

„Ich bin mir sicher, dass jeder hier im Klaren ist, worum es geht, also werden ich es nicht weiter wiederholen. Kurz gesagt, verlangt das Gerichtsverfahren, dass Ihr einen Eurer Untergebenen entsenden müsst. Falls ihr selbst Zeit haben solltet, Niederlassungsleiter Rodo…“

„Ähhh…. Es tut mir leid, Prälatin Ji Yue, ich muss mich leider um dringende Geschäfte in meinem Büro kümmern. Mein Adjutant wird statt mir teilnehmen…“ Mit diesen Worten trat Rodo – ein gezwungenes Lächeln auf den Lippen – einen Schritt zurück und wies auf Ji Bai.


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