ATAPOW Chapter 72(German)

Kapitel 72 – Die Anklage


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Kapitel 72 – Die Anklage

Einige wenige Blätter fielen von einem Gestrüpp ab, als zwei rote Lichter in ihm aufleuchteten.

Nach einem kurzen Blick nach links und rechts, streckte Bai Ji ihren Kopf heraus. Ihr langes Haar hing ihr bis zum Boden herab.

„Ha, ha~“, keuchte sie. „Zum Glück habe ich es geschafft, schnell zu verschwinden.“ Sie platzierte eine Hand über ihrem Herzen, in dem noch immer Angst schwelte. Anschließend schlich sie sich vorsichtig aus dem Gestrüpp.

Wenn sie einige weitere derartig aufregende und anstrengende Erfahrungen machen würde, müsste sie sich Angst um ihre Langlebigkeit machen. Immerhin war, was geschehen war, für sie nicht ohne Vorteile geblieben. Zumindest hatte sie ihr Nahrungsproblem – wenn auch nur temporär – gelöst.

In Gedanken daran knetete Bai Ji unterbewusst ihren Bauch.

Das frische Blut war für einen anderen Vampir der Schule zubereitet worden; Vielmehr war die Identität dieses Vampires ziemlich interessant…

‚Ich bin aber keine Schmarotzerin, also schulde ich ihr was für diese Mahlzeit. Und ich werde ihr dies wieder gut machen. Mhm… Jedenfalls, wenn ich mal das Geld haben dazu sollte…‘

„Wenn ich schon dabei bin, wieso kommt es mir so vor, dass ich etwas vergessen habe?“, wunderte sie sich, während sie auf ihrem Haar kaute.

‚Ah! Richtig! Meine Haarklammern! Ich habe meine Haarklammern da vergessen! Was soll ich nur tun… Soll ich zurückkehren und sie mir schnappen? Ähhhh…‘

‚Oder ich vergesse das einfach und sehe sie als Bezahlung für die kostenlose Mahlzeit an… Uhhh~ Aber wie könnte ich sie nur vergessen! Das sind meine Lieblinge! Ich habe sie doch schon seit fast einem Jahr und wollte sie niemals wegwerfen…‘

‚Aber ich kann auch nicht einfach zurückgehen und sie mir wiederholen…‘

Bai Ji warf einen zögernden Blick auf das Gebäude, das die öffentlichen Bäder beherbergte. Angesichts der aktuellen, verzweifelten Lage musste sie sich an einige Geschehnisse ihrer Vergangenheit erinnern: Die bittere Erfahrung, sich von einem unerfahrenen Ritter zum Ritterkönig heraufzuarbeiten und ebenso die unerwartete „Überraschung“, die das Schicksal ihr nach dem Erfolg gemacht hatte.

Der Kampf zwischen Vampiren und Rittern hatte eine lange Vergangenheit und doch waren sowohl die Königin der Vampire als auch ihre alten Kameraden im Ritterorden noch am Leben und gesund. Es schien ihr, dass das Einzige, was sich nach so langem Kämpfen geändert hatte, war, dass sie zu einem Mädchen verwandelt wurde.

‚Warum? Warum leben Ritter und Vampire im Rampenlicht, während ich als einzige in einer Ecke hocken und Schläge einstecken muss?‘

Noch bevor sie Liebe erfahren konnte, war ihre Starke-Mann-Persönlichkeit der Vergangenheit schon zu einer entfernten Erinnerung geworden.

Diese Erkenntnis verwandelte Bai Jis Sorgen in einen Fluss; Sie kauerte sich auf den Boden und brach lautstark in Tränen aus.

„Aber sich eine Mahlzeit zu erschleichen, ist doch genau das, was Schmarotzer machen! …~Aber ich werde es auf jeden Fall zurückzahlen! Aber meine Haarklammern! Mein Leben… Ahhhh~! Ich bin zum Mädchen geworden, bevor ich überhaupt mit welchen flirten könnte! Uhhhh…“

……………..

Am westlichen Stadttor:

Die Verstärkungen des Ritterordens der Strahlenden Ritter hatten es geschafft, die restlichen Trolle unter großem Aufwand zurückzuschlagen. Aktuell bewegten sich Ritter ohne Unterlass auf der Stadtmauer hin und her und versuchten dabei, dem Schlachtfeld möglicherweise nutzbare Materialien abzutrotzen.

Jedoch gab es einige Details, die die Ritter der Mauerwache verwirrten; Die Ritter, die zur Verstärkung angerückt waren, zeigten keinerlei Regung angesichts der Verwundeten und auch die Leichen der gefallen Verteidiger wurden einfach nur auf Karren geworfen. Zudem gab es nicht ein einziges Wort des Trostes für die Ritter der Mauerwache, welche die Katastrophe überlebt hatten.

„Sir Gorm, ich möchte mich vielfach für Eure großzügige Hilfe bedanken. Wenn Eure Truppen nur kurze Zeit später eingetroffen wären, wäre es wahrscheinlich-…“

„Was für ein dreister Kommandant du doch bist, du Kriegsverbrecher!“, unterbrach ein naher Ritter, der einen ausgeprägten Schnurrbart trug. „Mehr hast du deinem Vorgesetzten nicht zu sagen? Der Name von Sir Gorm ist nichts, was solche wie du einfach so sagen können! Knie nieder! Ich werde keine weiteren Unverschämtheiten verzeihen!“

Der Hauptmann der Mauerwache erwischte dies kalt. Doch erst, als er zu dem schweigenden Gorm geblickt hatte – jener hielt seine Hände hinter dem Rücken –, tat er es seinen Kameraden gleich und salutierte. Anschließend sank er auf ein Knie nieder.

„Nehmt ihnen die Waffen ab“, befahl Gorm nun.

Dieser Befehl ließ in den Rittern der Mauerwache, welche gerade erst einen tödlichen Kampf hinter sich gebracht hatte, eine unangenehme Vorahnung aufsteigen. Und doch überreichten sie den Rittern, die sie mit düsteren Blicken umzingelten, ohne Widerstand ihre Waffen.

So fest war die Idee, dass ihre Verbündeten sie nicht hintergehen würden, in ihren Köpfen verankert.

„Dein Name?“, fragte Gorm, sein Blick herablassend auf den vor ihm knieenden, alten Ritter gerichtet.

„Sir Gorm, mein Name ist Wright. Ich bin der Hauptmann der Mauerwache an diesem Stadttor.“, erwiderte ihm der alte Ritter, dem ein Arm fehlte, respektvoll, während ihm immer noch Blut kontinuierlich aus dem Stumpf floss.

„Mhm. Bist du dir deiner Verbrechen bewusst?“

„Verbrechen?“, entgegnete der ältere Ritter komplett entgeistert. „Sir Gorm, wir haben diese Stadt bis zum Tod verteidigt und dem Gegner keinen einzigen Zentimeter überlassen! Wie kommt es überhaupt zu diesen Vorwürfen?“

„Wie es dazu kommt, fragst du? Haha, seid ihr alle wirklich so ahnungslos?“, lachte Gorm grimmig und bedachte den Ritter mit Schnurrbart neben sich mit einem bedeutungsvollen Blick.

Jener tat etwas, was sich alle Ritter der Mauerwache nie im Leben vorstellen hätten können: Ohne jegliche emotionale Regung zog Gorms Begleiter seine Klinge und rammte sie in die Brust eines der ihren.

Dessen Augen waren vor Unglauben und Überraschung über diesen plötzlichen Angriff weit geöffnet. Langsam fiel seine Leiche zu Boden.

„?! S-Sir Gorm!? D-Du… Was soll das? Warum musste mein Schüler sterben? Alle hier sind Helden, die entschlossen das Stadttor verteidigt haben! Was soll das?!“

Doch Gorm lächelte nur angesichts der Empörung seines Gegenübers. In den Augen der vor ihm knieenden Ritter machte sich nun Angst breit.

„Die Stadttore also bis zum Tode verteidigt?“, fragte Gorm, Zweifel in seiner Stimme. „Ist das wirklich geschehen? Habt ihr wirklich bis zum Tod das Stadttor verteidigt?“ Sein Blick fiel alsbald wieder auf den Ritter mit Schnurrbart an seiner Seite.

„Hört euch bloß nicht diesen Schwachsinn an, Sir Gorm! Wenn wir auch nur eine Sekunde später angekommen wären, wären die Stadttore schon gefallen!“, rief dieser entschlossen aus.

„W-Wie? …Wie kannst du es nur wagen, das so unverfroren zu behaupten!?“, rief der Hauptmann der Mauerwache mit vor kochender Wut errötetem Kopf aus. „Wenn diesen Ort nicht mit unseren Leben verteidigt hätte, wie hätten denn sonst eure Truppen rechtzeitig ankommen können?“

„Oh?“ Gorm legte scheinbar verwirrt den Kopf schief. „Du sagst, ihr wärt diejenigen, die das Stadttor verteidigt haben?“, fragte er einem seiner Untergebenen zugewandt, wie um von diesem Klarheit erlangen zu wollen.

„Äh, Ich…?“, stammelte der Untergebene, bevor er sich unter dem wachsamen Blick des Ritters mit Schnurrbart wieder fasste. „Nein, nein! Nur durch Eure scharfsinnige Aufmerksamkeit haben wir die Situation unter Kontrolle bringen und rechtzeitig hier eintreffen können. Wie haben die schändlich fliehenden Ritter der Mauerwache gefangen genommen und die Trolle mit aller Macht zurückgeworfen.“

„Mhm.“, nickte Gorn zufrieden.

„Und zu deinen Behauptungen, alter Mann… Du sagst, dass ihr alle das Stadttor bis zum Tode verteidigt hättet? Aber wer hat das denn gesehen? Lass mir dir einen Ratschlag geben, verlass dich nicht darauf, dass dir dein Alter erlaubt, Lügengeschichten zu erfinden! Ist das klar?“

„Du…“

„Weißt du etwa nicht, wie viele Zivilisten obdachlos und vertrieben worden wären, wie viele Familien auf ewig auseinandergebrochen wären, wenn ihr mit eurer Meuterei Erfolg gehabt hättet? All die Leben von diesen Leuten wart ihr bereit, in den Fleischwolf des Leidens und des Elends zu stoßen! Wolltet ihr das etwa erreichen? Ihr Pack spricht euch doch hoffentlich nicht heimlich mit den Dämonen ab, oder?!“, predigte Gorm dem alten Hauptmann aufdringlich zu.

„Du, du…“ Der Augen des alten Ritters waren vor Entsetzen weit aufgerissen, als er seinen zitternden Zeigefinger auf Gorm richtete und von einem Hustenanfall überkommen wurde.

„Nicht nur habt ihr von der Mauerwache nicht von der Situation berichtet und so dem Hauptquartier Informationen vorenthalten, ihr habt sogar eure Pflichten missachtet und versucht, im Angesicht des Gegners zu fliehen!“, rief Gorms Untergebener mit dem Schnurrbart wild aus. „Denkt ihr wirklich, so euren Familien und den Zivilisten dieser Stadt Dankbarkeit erwiesen zu haben? Also frage ich alle hier anwesenden: Was soll die Strafe für diese Verbrechen sein!?“, übernahm er Gorms Worte und warf sie den wenigen überlebenden Rittern der Mauerwache zu Füßen.

„Sir Gorm, wir sollten keine Zeit mehr für dieses Pack verschwenden. Nach den Regeln unseres Ordens werden sowohl das Verbrechen, mit Dämonen zusammenzuarbeiten, als auch Desertation mit sofortiger Exekution bestraft. Also los, Leute! Lasst uns diesen Verrätern an der Menschheit ihre gerechte Strafe zukommen!“

Dieser Aufforderung folgend, zogen alle anwesenden Ritter unter Gorms Kommando ihre Schwerter und traten langsam auf die unbewaffneten, wehrlosen und ausgewrungenen Ritter der Mauerwache zu.

„Lasst das! Ich möchte doch gerne sehen, wer sich sowas traut!“, brüllte der alte Hauptmann.

„Betrachtet doch die vielen Tapferen, die im Kampf ihr Leben gelassen haben und nun unter euren Füßen liegen! Und dann seht euch selbst an! Ihr stellt euch auf die Seite eines Verräters und nutzt eure Position aus, um Unschuldige zu verfolgen! …Denkt ihr wirklich, es wert zu sein, Ritter genannt zu werden?!“

Sein wildes Schreien verlangsamte die Bewegungen der Schwerttragenden Ritter zu einer langsamen Trägheit. Auf ihren Gesichtern ließen sich die Anzeichen eines inneren Kampfes blicken.

„Erinnert euch doch an den Schwur, den ihr geleistet habt, als ihr diesem Orden beigetreten seid! Und vergleicht ihn mit dem, was ihr jetzt tu-…“

Doch seine Worte wurden jäh unterbrochen. Als sich seine Augen nach unten richteten, erblickte er, dass sich ein eiskaltes Schwert in seinen Kehlkopf gebohrt hatte.

„Meister!“, schrien die wenigen Ritter der Mauerwache, die nur leicht verwundet waren, auf, rannten an die Seite ihres Hauptmannes und schlossen ihn in ihre Arme.

„Was für ein alter Verrückter. Wir hätten ihn schon früher loswerden sollen.“, murmelte Gorm mit gerunzelten Brauen, als er sein blutbeflecktes Schwert wieder in dessen Scheide steckte.

Seine Augen fielen auf seine eigenen, schwerttragenden Untergebenen, welche zitterten und sich fest an die Waffen in ihren Händen klammerten. „Und ihr alle, möchtet ihr etwa dasselbe Schicksal teilen? Unser Ritterorden ist noch nie nachlässig mit Verrätern umgegangen.“

Anschließend erklang mehrmals das Geräusch von einer Klinge, die auf Fleisch stieß und frisches Blut zahlreicher Quellen spritzte auf die Stadtmauer.


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