Kapitel 105 – Eingang der Kanalisation
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Kapitel 105 – Eingang der Kanalisation
„Hey! Ihr seid endlich da.“
Xiaosha, die hinter Ji Bai folgte, merkte, wie sich ihre Haare aufstellten und versteckte sich daher schnell hinter den Beinen ihres Begleiters. Von Zeit zu Zeit blickte sie aus ihrem ‚Versteck‘ hervor und musterte die Umgebung.
„Mhm, tut mir leid, dass du so lange warten musstest.“, nickte Ji Bai.
Auch wenn er pünktlich angekommen war, hatte Huo Lei schon einige Zeit lang auf ihn gewartet. Dessen Ansichten unterschieden sich sehr von denen anderer Trolle, wenn es darum ging, im Kampf Rüstung zu traten; Eine Lederrüstung bedeckte seine mehr als zweieinhalb Meter große Figur. Auf seiner Schulter lagen zudem große, metallene Schulterstücke. Zudem hing ihm ein massiver Hammer, der im in Größe nicht nachstand, vom Rücken.
Auch wenn es nur eine einfach hergestellte Lederrüstung war, war es doch nichts Einfaches, eine in der Größe eines Trolles anzufertigen.
Sobald er Ji Bai und die vorsichtig hinter ihm folgende Xiaosha erblickt hatte, hatte er ihnen zugewunken und -gerufen.
Die Szene, die sich Ji Bai bot, war anders als er erwartet hatte. Schließlich hatte Huo Lei nicht alleine auf ihn gewartet; Neben ihm stand noch eine junge Frau mit Pferdeschwanz, die eine leichte Rüstung trug.
Sie schien sich etwas zurückhaltend und schüchtern zu verhalten und trug einen Langbogen als Waffe auf den Rücken, ebenso wie einen mit Metall-Pfeilen gefüllten Köcher an ihrer Seite.
„Du bist schon sehr früh hier gewesen.“, meinte Ji Bai, als er Huo Lei zunickte und dann seinen Blick auf die junge Bogenschützin richtete.
„Ah, sie wird uns auf dieser Mission begleiten. Sie hat sich freiwillig für die Erkundung der Kanalisation gemeldet.“, stellte der Troll sie vor.
„H-Hallo Leute, mein Name ist Xiaomu, ich bin eine Bogenschützin und eine Schülerin der Auberginen-Klasse des zweiten Jahres. Ich hoffe, dass wir gut miteinander auskommen werden!“, erhob auch sie ihre Stimme, begleitet von einer leichten Verbeugung. Ihr schien es äußerst unangenehm zu sein, das Ziel von Ji Bais Blick zu sein.
„Okay.“, nickte dieser ihr zu, nachdem er ihren Namen erfahren hatte. Er zeigte keine weitere Reaktion angesichts dessen, dass er ein neues Mitglied der Gruppe kennengelernt hatte, welches ihn begleiten würde.
„Haha! Xiaomu, sei doch nicht so zurückhaltend! Du bist schließlich eine Klasse höher als wir! Wir sollten uns lieber um deine Leitung bemühen!“ Huo Lei wollte gerade seine Freundlichkeit ausdrücken, indem er seiner menschlichen Mitschülerin auf die Schulter klopfte, doch unterbrach er seine Bewegung, als er sich daran erinnerte, wie klein und zerbrechlich sie im Vergleich zu ihm doch war.
„Das ist viel zu viel! Ich bin alles andere als in der Lage, euch anzuleiten…“
„Ah!“, rief Huo Lei aus, als er seinen Blick auf Xiaosha richtetete, welche immer noch dabei war, sich hinter Ji Bai zu verstecken. „Bist du nicht die kleine Neko aus unserer Klasse? Mein menschlicher Freund, du hast also auch sie überzeugt, der Gruppe beizutreten? Hallo kleine Neko! Hahaha, hast du schon gefrühstückt?“, grüßte er sie mit überschwänglichem Enthusiasmus.
„Hahaha!“, fuhr er fort. „Ich habe auch noch nichts gehabt! Wie toll, dass du auch hier bist, vielleicht sollte ich dich zum Frühstück essen!“ Huo Lei begleitete seine Worte mit entblößten Zähnen und streckte – mit einem böswilligem Lächeln – seine großen Hände in Richtung der kleinen Neko…
„Nyaaaauuuuu!…“, schrie Xiaosha zu Tode erschrocken, wich zurück und kauerte sich komplett verängstigt zu Boden. Wenn eine Ecke in der Nähe gewesen wäre, hätte sie garantiert wie ein Monster aus einem Horrorfilm hinter dieser hervor gestarrt.
Vielleicht lag dies an den Genen ihrer Spezies; Nekos besaßen schließlich eine instinktive Angst vor Trollen, welche ihnen tief in der Seele verankert war – egal, wie freundlich sich Trolle ihnen gegenüber verhielten.
„Bin ich wirklich so furchterregend?“, fragte Huo Lei offen.
„Hör auf, rumzualbern, wir sollten losgehen.“, wies ihn Ji Bai zurecht, nachdem er seinen Blich über seine Begleiter schweifen ließ. Anschließend lief er der Gruppe voraus und stieß die Tür zur Missions-Halle offen.
Die dort anwesenden Personen konnten an einer Hand abgezählt werden. Die kälteste Zeit des Winters war kurz davor, anzubrechen1 und daher obsiegten bei den meisten das Bedürfnis, sich so lange, wie möglich unter dem Schutz ihrer Bettdecke zu verbringen. Und diejenigen, welche noch einen Hauch an bewusster Kontrolle besaßen, waren nicht weitergekommen als bis zur Bettkante, wo sie sich immer wieder vornahmen, aufzustehen, aber dann doch scheiterten: Auch wenn sie sich immer wieder entschlossen, nur noch einige wenige Minuten weiter im Bett zu verbringen, war es ihnen nicht möglich, diesen Vorsatz auch umzusetzen.
Zudem sorgte der Fakt, dass das Wochenende angebrochen war, dafür, dass hier aktuell nur wenige arbeiteten.
„Guten Tag, liebe Schüler! Seid ihr hier, um eine Mission anzunehmen oder über das Ergebnis einer zu berichten?“, wurde Ji Bais Gruppe von einer jungen Rezeptionistin, die ein professionelles Lächeln zur Schau trug, begrüßt. Sie schien – im Gegensatz zu allen anderen anwesenden – recht früh aufgestanden zu sein.
Sie war nicht dieselbe Rezeptionistin, der Ji Bai zuvor begegnet war. Soweit er es einschätzen konnte, schienen die Angestellten also auf einer Schichtbasis zu arbeiten.
„Wir möchten die Mission, die Kanalisation zu erkunden, annehmen.“, brachte er kurz und knapp vor.
„In Ordnung. Könnt ihr alle bitte euere Namen, eure Klasse, wie lange ihr schon Mitglieder des Ordens seid und euren Rang nennen?“
„Ji Bai, Tomaten-Klasse des ersten Jahres, Knappe der Mondritter.“, antwortete Ji Bai ruhig, gefolgt von Xiaosha und Huo Lei. Xiaomu war diejenige, welche als letzte Auskunft erteilte. Grundlegend gesagt unterschieden sich die Angaben der Gruppenmitglieder kaum, sie alle waren Knappen. Nur, dass Xiaomu eine Schülerin des zweiten Jahres war, unterschied sie von den anderen.
Obwohl ein seltsamer Ausdruck über das Gesicht der Rezeptionistin zuckte, fing sie sich sofort wieder und stellte sicher, weiter professionell zu lächeln. „Vielen Dank. Könnt ihr nun bitte diese Formulare ausfüllen? Ich helfe euch gerne bei der Registration in unsere Datenbank.“, sprach sie der Gruppe zu, während sie ihnen vier auszufüllende Blätter reichte.
„Auch wenn es nur eine einfache Erkundung ist, solltet ihr besonders vorsichtig sein. Schließlich seid ihr alle noch Knappen.“, warnte sie zudem noch die vier.
„Vier Knappen? Seit wann können die denn Missionen annehmen??“, mischte sich ein in der Nähe sitzender Mann, der einen abschätzenden Blick über die Gruppe schweifen ließ, ein. Seine Augen verweilten kurz, als sie mit denen von Xiaomu und Xiaosha in Kontakt kamen.
‚Ich habe mir schon gedacht, dass er ein neuer Schüler ist, aber ein Knappe? …Hah! Ich denke, dass er die beiden süßen Mädchen mit blumiger Sprache überzeugt hat, teilzunehmen. In dem Fall hoffe ich auf einen Moment, in dem ich ihn bloßstellen kann!‘, dachte er, während er Ji Bai, der immer noch seinen Helm mit Kreuzvisier trug, betrachtete.
Jedoch hatte Ji Bai keine Möglichkeit, zu wissen, wie die anderen Anwesenden über ihn dachten und so füllte er unbeeindruckt zusammen mit seiner Gruppe die Formulare aus, bevor sie gemeinsam die Missions-Halle verließen.
…………
Der Eingang der Kanalisation konnte im äußeren Bereich der Stadt gefunden werden. Dort zierten zahlreiche Pflanzen die Umgebung und reinigten die Luft. Nur im Zentrum der Gegend konnte man einige verdorrte Bäume und welkendes Grass, welche von Schlamm umgeben waren, erblicken.
Außerdem drängte sich dort ein Ekel erregenden Gestank in die Nasen aller Vorbeigehenden und eine schmutzige, pechschwarze Flüssigkeit ergoss sich aus einem Steinernen Abflussrohr.
„…Das ist ein Scherz, nicht wahr? Müssen wir wirklich so einen Ort erkunden? Es ist so dreckig, dass sich meine Haare aufstellen! Eine Neko wie ich wird definitiv dort sterben, oder?“, brachte Xiaosha hervor, während sie sich die Nase zuhielt und einen angewiderten Gesichtsausdruck trug.
„Ich habe einige Nasenstöpsel mit, die etwas helfen dürften.“, sagte Ji Bai, während er einige gelbe Bällchen aus einer Tasche an seinem Gürtel nahm.
„Und sicher können wir deiner Meinung nach auch einen Waldbrand mit einem Glas Wasser löschen…“, murmelte Xiaosha, nahm jedoch trotz ihres Missmutes zwei Nasenstöpsel entgegen.
„Danke.“, bedankte sich Xiaomu, sobald sie an der Reihe war.
„Huo Lei…“, fing Ji Bai an, bevor er jedoch verstummte, als er die großen Nasenlöcher des Trolls, in denen locker zwei Äpfel Platz finden konnten, erblickte.
„Kein Problem, ich werde einfach durch den Mund atmen.“, winkte Huo Lei ab.
„Warte einen Moment! Die Tür zur Kanalisation ist verschlossen und wir haben keine Schlüssel!“, rief Xiaosha, die Hoffnung, doch nicht die Mission erfüllen zu können, hegend, plötzlich auf. „Also können wir da nicht rein, nicht wahr?“
„Es gibt mehr als einen Weg, eine Tür zu öffnen.“, sagte Ji Bai nur, als er an das Hindernis herantrat. Mit einem Tritt seiner Lederstiefel sorgte er dafür, dass die schon sehr verrostete Eisentür nachgab.
„Mir nach. Die Kanalisation erstreckt sich unter ganz Grenzstadt und ist quasi ein Labyrinth. Zudem haben wir leider keine Karte, also passt auf, dass ihr euch nicht zu weit von der Gruppe entfernt.“, warnte er noch, bevor er den dunklen, feuchten Gang betrat.
„Huo Lei, hast du die Fackel mit, um die ich dich gebeten habe?“
„Ja, hier.“
Nach wenigen Sekunden erleuchtete das rote Flackern der Fackel die düstere Umgebung.
„Mü-Müssen wir wirklich hier lang?“, fragte Xiaosha noch verängstigt, als sie die schäbigen Rohre, welche überall hangen, sowie die schier endlose Dunkelheit des Ganges betrachte.
Einige unklare Schmierereien bedeckten die Wände, und die zahlreichen Lücken in ihren Oberflächen wirkten wie Kratzer der Klauen irgendeiner unbekannten Kreatur…
Platschen ertönte in einiger Entfernung…
„Uhhh! W-Was war das für ein Geräusch?!“, fragte Xiaosha mit vor Angst zitternder Stimme.
„Wahrscheinlich ein Leck in einem Rohr. Die sind schließlich schon etwas älter und schon lange nicht mehr repariert worden. Nichts wichtiges also.“, meinte Ji Bai nur, als er unberührt, die Fackel tragend, immer tiefer und tiefer in die Eingeweide der Kanalisation vorstieß.