Kapitel 80 – Vorbereitungen
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Kapitel 80 – Vorbereitungen
„…Wer du bist?“ Das Wissen, welches der Mann vor ihm besaß, brachte Rodo dazu, die Stirn zu runzeln. Allerdings zeigte sein Gegenüber definitiv einiges an Naivität, wenn er glaubte, ihm mit nur derartigen Informationen schaden zu wollen.
Als ein hochrangiger Beamter, der sowohl seine gesellschaftlichen als auch seine Arbeits-Beziehungen stets mit Geschick und Schlauheit bewältigt hatte, hatte Rodo über die Jahre hinweg viel Erfahrung und zahlreiche Verbündete ansammeln können. Er hatte seine Wurzeln tief in der heiligen Kampfkunstorganisation verankert; Es war zwar nicht allzu schwierig, ihm einige Steine in den Weg zu legen, jedoch war ihn komplett zu entwurzeln der Traum eines Narren – Selbst wenn diese Person ein Regionalleiter der heiligen Kampfkunstorganisation wäre.
Zudem würde es ihm nicht einmal viel ausmachen, wenn jemand ihm Steine in den Weg läge. Auf Grund seiner Verbündeten und seines Wohlstandes war er in der Lage, nach kurzer Zeit wieder an die Macht zurückkehren und sich anschließend rächen zu können.
Sich an diesen Fakt zu erinnern, ließ Rodo wieder zur Ruhe kommen, sodass er sich entspannt auf seinen Stuhl setzte.
„Es ist wirklich normal für junge Leute, übermütig und stürmisch zu sein. Denkst du etwa wirklich, dass dein mickriger Status ausreicht, um anderen gegenüber herablassend zu sein? Haha, die öffentlichen und verborgenen Kämpfe des Intellekts in der Bürokratie sind nicht so befriedigend oder zufriedenstellend, wie du es denkst. Ich vermute mal, dass du ein neuer Komtur oder Stellvertreter eines Komturs bist, der gerade erst befördert wurde, habe ich recht? Solche Informationen sind nichts, was mich zu Fall bringen könnte, verstanden? Und wirklich, was sollte es dir überhaupt bringen, aus der Masse hervorzustechen? Wenn du weiter handelst, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, wirst du damit kein Glück haben. Selbst deine Familie könnte dafür bezahlen!“ Das Feuer offener Drohungen brannten in den Augen des übergewichtigen Mannes.
„Hä? Meine Familie könnte dafür bezahlen?“ Ji Bai hob seine Brauen.
„Ha! Mein lieber Freund, lass dir von einem Veteranen wie mir eine Lektion erteilen.“, sprach Rodo mit einem höhnischen Grinsen. Er war sich sicher, dass sein Gegenüber nur jemand unerfahrenes war, der erst vor kurzem seinen Posten angetreten hatte.
„Bürokratie gleicht dem Schlachtfeld. Man muss seine Stärke trainieren, während man auf den richtigen Zeitpunkt wartet. Wenn du dir nicht zu hundert Prozent sicher bist, darfst du dich nicht deinem Feind offenbaren und musst dessen Schwächen mit hinterhältigen Methoden erkunden. Wenn nötig, musst du dabei jemanden angreifen, der gerade schwach ist und währenddessen im Geheimen die eigene Macht und Verbindungen stärken. Bestechungen sind dabei unerlässlich, nur durch sie kann man heimlich Wohlstand ansammeln…“ Während seiner Rede trug Rodo einen immer hochnäsigeren Gesichtsausdruck. Seine eigenen Worte verschufen ihm, je mehr er redete, eine immer größere Befriedigung-
„…Und wenn du dir deiner Chancen sicher bist, einiges an Mitteln angesammelt hast und eine Rückzugsroute gesichert hast, erst dann kannst du deinen Gegner angreifen und ihn von seiner Position stoßen! Dass nennt man dann ‚Soziales Auslöschen‘. Und wenn die Zeit kommt, wird sich überhaupt irgendjemand darum kümmern, wenn die Familie eines Beamten, der aktuell in aller Munde ist, verschwindet? Haha, das alles ist wie ein Schachspiel. Du musst voraussehen, welche Auswirkungen deine Taten in mehrere Schritte später haben werden. Wie das Sprichwort sagt, ist Vorsicht die Mutter der Porzellankiste; Und erinnere dich immer wieder daran, dass die Risiken häufig proportional zum Profit steigen… Verstehst du nun?“
„Wenn du pokerst, solltest du immer vorsichtig vorgehen und keine großen Risiken eingehen, bevor du dir sicher bist. Wenn ich du wäre, hätte ich niemals so schlampig gehandelt… Ha, es ist wirklich zu schade, junger Mann. Deine unvorsichtige Entscheidung wird dir und deiner Familie schon bald böse bekommen…“
„…Schließlich werde ich dich nicht davonkommen lassen, hahaha…“; lachte Rodo morbide auf.
„…Sieht die ganze Bürokratie heutzutage so aus?“ Ji Bai verschränkte die Arme und senkte gedankenerfüllt seinen Kopf.
„Hä? Was hast du sonst erwartet? Die Welt ist viel dreckiger als du denkst… Und wir alle müssen ein dreckiges Leben führen, um besser dazustehen als der Pöbel. Nur so wird unser Leben vollfüllend sein.“
„Mhm, vielleicht ist das der einzige deiner Sätze, der einiges an Wahrheit in sich hat.“ Ji Bai ließ seine Arme herabfallen, stand auf und ließ dabei seinen Stuhl nach hinten stürzen.
„Was? Bist du jetzt etwa verzweifelt? Vergiss bloß nicht, dass das hier meine Domäne ist.“, erinnerte Rodo ihn verächtlich.
„…Also habe ich dich zum Leiter der Niederlassung in Grenzstadt gemacht damit du ein Tyrann wirst?“
„Äh? Was?? Junge, sag mir bloß nicht, dass du vor Angst deinen Verstand verloren hast bist und daher Schwachsinn laberst?“
„Du hast die Zivilisten in den letzten paar Jahren ziemlich schlecht behandelt, habe ich Recht?“, fragte Ji Bai gleichgültig und vergrub seine Hände in den Taschen seiner Hose.
„Ha, und was möchtest du machen, wenn dem so wäre? Das ist doch eine Sache gegenseitigen Einverständnisses. Zivilisten geben uns Geld im Ausgleich für etwas Gerechtigkeit und Sicherheit. Ihr Geld nehmen wir entgegen und kümmern uns für sie um alles. Daran ist doch nichts falsches.“
„Oh? Was würdest du denn denken, was geschehen würde, wenn ich diese Worte veröffentlichen würde?“
„Pfft… Was denkst du, wer du bist? Wie viele hohe Tiere würden deinen Worten überhaupt glauben? Du bist doch nur ein Niemand ohne Prestige und Vergangenheit… Sag bloß nicht, dass du meinst, jemand wichtiges zu sein?“, verhöhnte Rodo ihn weiter.
„Was ich denke, wer ich bin??“ Ji Bai lächelte. „Ich zeige dir gerne, wer ich bin.“
Mit einem Schlag riss Ji Bai ein Loch in den Boden und weiße, heilige Partikeln – rein und makellos – wickelten sich um seinen Körper.
Die Bodenfliesen zerbarsten mit einem Knall und die heiligen Partikel ließen die Temperatur des Raumes schlagartig ansteigen.
Eine Reihe an sonnenförmigen Zeichen begann, Ji Bai zu umgeben, bis sie sich zu einer dunklen, silberglänzenden Rüstung formten.
Als sich das Leuchten langsam verstreute, wehte eine blaue Helmquaste im unsichtbaren Wind der Partikel.
Der Ritter, der die dunkle Rüstung trug, stand von einer knieenden Position auf und warf einen Blick durch sein Visier seines Helmes auf Rodo.
„…“ Dessen Lächeln froh jäh ein. Nein, nicht nur sein Lächeln, sein gesamter Körper erstarrte; Als ob er zu einer lebendigen Statue geworden wäre.
„Ich vertraue darauf, dass es dir gut gegangen ist, seitdem wir uns das letzte Mal getroffen haben, mein lieber Rodo.“, erklang eine nostalgische, heisere Stimme aus innerhalb des Helmes und traf Rodos Ohren mit der Kraft einer Explosion.
„…S-S-S-Stra-Strahl-…!!“ Dieser sprang aus seiner Erstarrung heraus auf, sein Gesicht kreidebleich. Für einen Moment hoffte, er nur einen Geist gesehen zu haben. Doch dann stolperte er über seinen massiven Stuhl in Panik und fiel zu Boden. Er landete dabei auf seinem Hintern.
„Stra-Stra-Strah-…?!!!“
Ji Bai schwieg und blickte Rodo, der nun in einem erbärmlichen Zustand war und wie Espenlaub zitterte, einfach nur weiter an.
„Mein Lord, ich erweise Euch alle Ehre! Ich bin so blind wie ein Maulwurf gewesen! So blind wie ein Maulwurf! Mögt Ihr mir meine Fehler verzeihen! Auch wenn ich in den letzten Jahren keine Verdienste erreicht habe, so bitte ich, dass Ihr mir zumindest anrechnet, dass ich hart gearbeitet habe…“, ergoss Rodo einen Schwall von Worten in Richtung seines Gegenübers. Sein Gesicht war tränenüberströmt und ihn hatte alle Energie verlassen. Selbst vom Boden konnte er sich nicht mehr erheben. Die Fähigkeit, seine Haltung, seinen Gesichtsausdruck nur in Sekundenbruchteilen so schnell zu wechseln war den Fähigkeiten der meisten Schauspieler bei weitem überlegen.
„Hart gearbeitet?“ Ji Bai schüttelte seinen Kopf. „Das kannst du deiner Großmutter erzählen. Ich habe mitgekriegt, mein lieber Rodo, dass du die letzten Jahre ein sehr bequemes Leben geführt hast. War harte Arbeit wirklich Teil deines Alltags?“
„Na-Natürlich! Mein Lord, es ist nicht immer etwas Gutes, eine hohe Position zu haben. Man könnte sogar sagen, dass ich mich stets um den Willen der Leute gesorgt und ihm gefolgt bin. Das hat meine ganze geistige und körperliche Leistungsfähigkeit gebraucht und mich in Körper und Geist ausgelaugt…“
„Das kann ich sehen.“, nickte Ji Bai sarkastisch, bevor er ihm nähertrat. „Das hat dich so sehr ausgelaugt, dass du gar einige duzend Kilogramm dazugewonnen hast. Und dein Körper und dein Geist müssen angesichts deiner gesund rosigen Wangen tatsächlich total erschöpft sein.“
„Mein lieber Fettklumpen, hast du etwa die Worte, die du gerade erst gesagt hast, schon wieder vergessen? Da klang das nämlich komplett anders…“ Ji Bai griff Rodos an den Haaren und zog seinen Kopf an ihnen in die Luft.
„Das war nur ein Scherz…“
„Dein ‚Scherz‘ war, mir zu drohen, dass meine gesamte Familie sterben würde…“
„Ich… Mein Lord, ich…“
„Spar dir dein Schauspiel! Ich muss jetzt schon fast bei deinem Anblick kotzen!“ Ji Bai warf den übergewichtigen Abteilungsleiter wieder zu Boden.
„Ich werde hier morgen pünktlich auftauchen, also bereite mir alles vor. Eine Identität zu fabrizieren, dürfte dir doch sicherlich nicht schwerfallen, oder? Egal, wie du es machst, ich muss einen Sitz als Richter im morgigen Gerichtsverfahren haben.“
„Ja, verstanden…“, verbeugte sich Rodo, erneut am ganzen Leib zitternd, und wagte es nicht, seinen Kopf auch nur ein Stück zu heben.
„Ich werde dir einige Zeit geben, deine Habseligkeiten aufzuräumen. Nach Ende des Ganzen möchte dich jedoch nicht mehr auf diesem Sitz sehen.“
„Mein Lord! Ich…“
„Ich kann dich mit nur einem einzigen Satz zum Präsidium auf ewig verdammen. Das ist für mich nicht schwerer, als einfach meinen kleinen Finger zu bewegen, verstanden?“
„Ja, laut und deutlich…“, brachte Rodo, der nun vor ihm auf dem Boden kroch, hervor. Seine üppigen Eingeweide verkrampften sich vor Verzweiflung.
„Und zuletzt: Bin ich heute hier gewesen?“ Ein kaltes Leuchten schien durch das Visier von Ji Bais Helm.
„Hä?“, war Rodos erste Reaktion. Immer noch hatte vollständiger Schock seine Gedanken gelähmt. „…Ah! Nein, natürlich nicht…“!
„Gut. Dir muss eine Sache klar sein: Der Strahlende Ritter ist gestorben, verstanden? Du musst wissen, dass ich nur dir diese Information mitgeteilt habe. Wenn es an die Öffentlichkeit gerät, weiß ich also, wer es war. Verstanden?“
„Ja-, ja! …Ähm, mein Lord. Seid ihr wirklich immer noch am Leben…?“
„Das ist nichts, was du wissen musst, also frag nicht.“, warnte Ji Bai ihn mit eiskalter Stimme.
Anschließend öffnete er ein Fenster und sprang hinaus.