Kapitel 48 – Strahlen
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Kapitel 48 – Strahlen
Lemi kam es vor, als ob sie einen schweren Schlag erhalten hätte. Verwirrung ließ sie keinen klaren Gedanken fassen. War sie etwas in einem Traum gefangen?
Die vertraute Silhouette, der Ritter, seine auffällige, silber-graue Rüstung, dieses ihr nur allzu bekannte Aussehen…
Obwohl sie sich mit äußerster Mühe ans Bewusstsein klammerte, konnte sie ihre Augen nicht von seinem von einem Helm bedecktem Gesicht losreißen. Selbst der laute Schrei des Windes war nicht in der Lage, sie von ihrer Überraschung, ihrem Bewundern ihres im Mondlicht schimmernden Retters davonreißen.
„Strahlender… Ritter…“, keuchte Lemi verwaschen. Sie schafften es nur mit Mühe, den Namen ihres Retters zu nennen. Doch es zu leise, als dass er sie hören könnte. Träumte sie schon? War ihr schwaches Bewusstsein bereits erloschen? Mit einem Zittern erschlaffte ihr Körper, als ihre schweren Wunden sie in Ohnmacht trieben.
„Schlaf gut, du bist hier in Sicherheit.“ Ji Bai legte das Mädchen sachte auf den Boden. Nachdem er ihr kurz über den Kopf gestrichen hatte, stand er wieder auf und stellte sich den Trollen entgegen. Während er sich noch um Lemi gekümmerte hatte, war eine ganze Schar weiterer Dämonen eingetroffen.
Der Troll mit dem Streitkolben schaffte es als erstes, sich von seiner Verwunderung zu erholen: „Haha… Kleiner Ritter, denkst du, das bisschen Blech wird dich schützen?! Mal sehen, ob du dir nicht zu viel erhoffst!“, rief er aus, während er sich die Schulter kurz massierte. Anschließend richtete er die Spitze seiner Waffe provozierend auf Ji Bai. Auch die Augen seiner Begleiter strahlten Selbstvertrauen aus, als sie scherzten, wie sie doch am besten den Ritter besiegen könnten.
Einen Ritter, der eine heilige Fähigkeit besaß, zu bezwingen und anschließend seinen Kopf ihrem Stamm zu präsentieren, war etwas, was ihnen auf lange Zeit Lob von ihrem Häuptling einbringen konnte. Freudig blickten sie blutdurstig auf ihren Gegner, ihre inneren Dämonen offen präsentierend.
Einzig ein Troll, der weiter hinten stand und dessen Gesicht eine große Narbe zierte, runzelte die Stirn. Als erfahrener Krieger, der schon in vielen Schlachten gekämpft hatte, war sein Gefahrenbewusstsein bei weitem dem der jungen und unerfahrenen Neulinge vor ihm überlegen. Als er weiter den in eine Ganzkörperpanzerung gehüllten Ritter betrachtete, regte sich in ihm ein unbekanntes Gefühl; Ihm kam die Rüstung bekannt vor… Woher nur kannte er sie?
„Bitte seid vorsichtig“, erinnerte er seine Begleiter.
„Wo, hat dich der Mut mit dem Alter verlassen? Sag mir bloß nicht, dass du Angst vor einem mickrigen Menschen hast! Diese Blechdose ist einfach nur lächerlich! Vielleicht solltest du nach Hause zurückkehren und Bauer werden? Ein Troll-Krieger ist niemals feige!“
„Hahaha!“, lachten die jüngeren Trolle wild, als sie Ji Bai umzingelten. „Dein Kopf ist mein! Stirb, du Wurm!“, rief einer von ihnen, als er seinen massigen Streitkolben auf den Ritter niederschnellen ließ.
Wie ein Schrei hallte der Windstoß der Attacke, welche mit Leichtigkeit einen massiven Stahl-Block zerquetschen könnte, ihr voraus.
Und doch sah Ji Bai dem Allen ruhig entgegen.
‚Haha! Der Wurm hat schon aufgegeben!‘
Das Gesicht des Angreifers verzerrte sich zu einem manischen Grinsen, als sich seine Waffe Ji Bais Kopf mit bedrohlicher Geschwindigkeit näherte.
Metall prallte auf Metall mit klirrendem Kreischen!
Der wild geschwungene Streitkolben prallte von Ji Bais Helm ab, ohne Schaden zu hinterlassen.
Der Besitzer der Waffe taumelte orientierungslos umher. „???“ Sein Gesicht zeigte Fassungslosigkeit, trug sein Unvermögen, zu verstehen, was geschehen war, zur Schau.
Ji Bai trat an ihn heran und packte ihn am Nacken. Bevor der Troll sich befreien konnte, spürte er mit Schrecken Eiseskälte; Es war, als ob er mit eisigem Meerwasser überschüttet worden war.
Erst, als er sein grünes Blut aus der Wunde fließen sah, wurde ihm klar, dass er das Langschwert des Ritters nur zur Hälfte sehen konnte. Die andere steckte tief in seiner Brust.
Ji Bai stieß den Troll, dessen Augen matt geworden waren, von seinem Schwert. Der Dämon taumelte einige Schritte nach hinten, bis sein Körper leblos zu Boden sackte.
Nun schloss der Ritter seine Hände fest um den Griff seines Schwertes, welches er aufrecht hielt. Durch die Schlitze seines Helmes musterte er die übrigen, von Überraschung benommen, Trolle.
Langsam erwachten die Dämonen aus ihrer Trance und realisierten, was geschehen war: „Abscheulich! Nutzt Magie! Greift mit Magie an! Die Rüstung eines Ritters kann Magie nicht widerstehen!“ Überhastet brachten sie Abstand zwischen sich und ihren Gegner und ließen magische Energien in sich aufsteigen. Ein Meer an grünen Flammen raste auf Ji Bai zu.
Dieser stieß sein Schwert ohne Eile in den Boden und schnellte nach vorne, seine Schulter auf die lodernden Flammen gerichtet. Das helle Kreuz auf seiner Schulterplatte erwachte zum Leben und strahlte ein grelles, silbernes Licht aus, das Ji Bais ganzen Körper umhüllte. Ein mit einem Kreuz verzierter Schild hatte sich aus dem Nichts materialisiert.
Als das Meer an Flammen auf diesen prallte, verhielten sie sich zu diesem wie Licht zu einem Spiegel; Sie prallten ab und schnellten in die entgegengesetzte Richtung zurück.
„Ahhhh!!“, erlitten die Trolle die Früchte ihrer Taten. Ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, zu verstehen, was geschehen war, hüllte ihre eigene Magie sie ein und brannte sie zu Asche.
„…Einer ist entkommen.“, grunzte Ji Bai ohne jegliche Regung, nachdem er für einige Zeit einen Spalt in der Wand betrachtet hatte. Einen Fisch durch sein Netz schlüpfen zu lassen, hatte ihn in eine schlechte Stimmung versetzt.
Seine Rüstung löste sich in zahlreiche Partikel aus purem Licht auf und wehte davon.
Kurze Zeit später erfasste ihn ein leichter Windstoß. Als er seinen Kopf hob, sah er im Mondlicht, wie sich ein Hubschrauber langsam dem halb zerstörten Gebäude näherte.