Kapitel 49 – Konfrontation
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Kapitel 49 – Konfrontation
Als der Hubschrauber auf dem entblößten obersten Stockwerk des brüchigen Gebäudes landete, wehte der Wind des sich nun immer langsamer drehenden Rotors zahlreiche Bruchstücke hinab.
Das relativ große Fluggerät war eindeutig keines, welches Zivilisten nutzen könnten; Ji Bai konnte am Cockpit befestigte Waffenrohre erspähen.
Direkt nach der Landung entstieg eine große Frau mit blonden Haaren, die ein formelles Kleid trug. Sie hielt einen Regenschirm und musterte mit regungslosen Augen ihr Umfeld. Ihre Augen stoppten kurz an Ji Bais mit grünem Blut bedeckten Schwert, sowie den zerstückelten Troll-Leichen, bevor sie mit klackenden Absätzen auf den jungen Mann zulief.
Wunderschön und zurückhaltend war der erste Eindruck, den dieser von ihr hatte.
Normalerweise würden Menschen voller Schock oder Angst auf Unerwartetes reagieren. Dies war etwas, was ein wichtiger naturgegebener Teil ihres Wesens.
Und doch trug die Frau Ruhe zur Schau, als ob ihr die grausame Szene vor ihr egal wäre. Sie kümmerte diese auch wirklich nicht, vielmehr suchten ihre Augen die Umgebung nach etwas anderem ab.
Als ihr Blick auf die hinter Ji Bai bewusstlos auf dem Boden liegende Lemi fiel, blinzelte sie kurz und seufzte leicht. Anschließend lief sie zu dem Mädchen.
Ohne auf ihn zu achten, ging sie an Ji Bai vorbei. Nichts anderes als das schwer verletzte Mädchen schien ihr wichtig zu sein; Es war, als wäre der desaströse Zustand des Gebäudes, ebenso der unheimliche Haufen an Leichen nichts als Schall und Rauch.
Vorsichtig nahm die Frau Lemi in den Arm, hob sie hoch und lief wieder zurück zum Hubschrauber, dessen Rotor sich immer noch leicht drehte.
„Bist du mit ihr verwandt?“, fragte Ji Bai, um die kleine Lemi besorgt. Die Frage hatte ihm schon auf der Zunge gelegen, seit die Frau an ihm vorbeigelaufen war.
„… Dein Name.“, entgegnete die Frau in einem kalten Tonfall.
„Hm?“ Ji Bai legte seinen Kopf schief. Ihm war nicht ganz klar, was sie ihm damit sagen wollte.
„Ich werde ihn mit merken und dir innerhalb von drei Tagen eine Belohnung schicken.“, sagte ihm die Frau freiheraus. Ohne jegliche Regung ihres Gesichts wischte sie etwas Schmutz von Lemis Stirn.
„Wieso Geld? Ich habe nur getan, was ich musste! …Da du mit ihr zu tun hast, bring sie am besten schnell ins Krankenhaus. Sie ist schwer verletzt. Ah, ist es nicht eigentlich ein Versagen des Vormundes, wenn ein so junges Kind alleine in einem großen Gebäude zurückgelassen wird?“ Ji Bais Augen waren auf den Rücken seines Gegenübers fixiert.
„Steck deine Nase nicht in Angelegenheiten, die dich nicht angehen.“, entgegnete die Frau langsam. Ihre kalte, emotionslose Stimme verriet eine Spur von Hilflosigkeit. Ohne weiter zu warten, trug sie Lemi in den Hubschrauber.
Bevor sich die Tür des Fluggerätes wieder geschlossen hatte, begann der Rotor wieder, sich immer schneller zu drehen. Bald erhob er sich in die Luft und ließ Ji Bai alleine in der Ruine zurück. Dieser vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen und blickte dem Hubschrauber hinterher. Ein kalter Wind wehte unbeugsam.
Als der Hubschrauber nur noch als entfernter Punkt zu erkennen war, zerschmetterte ein Pop-Song, der aus Ji Bais Hosentasche ertönte, die Stimmung der Nacht1.
Ein Blick auf den Bildschirm ließ ihn seine Augen zusammenkneifen.
‘Lin Tuo…’
„Hallo, Ji Bai? Wohin bist du abgehauen, Junge? Lin meinte zu mir, dass du dieses Unglück für dich ausnutzen möchtest… Also, wo bist du gerade? In solch außergewöhnlichen Zeiten müssen wir zusammenhalten. Die Klasse versammelt sich so schnell wie möglich, wir sollen uns alle treffen…“
„Uns treffen, meinst du?…“ Ji Bai warf einen Blick auf die zerstückelten Körperteile von Trollen, die ihn umgaben und lächelte nachdenklich.
„In der Tat müssen wir uns treffen. Ich bin gerade bei der Niederlassung von SernenGeist2.
„Was zum-! Ich bin mir sicher, dass ihr einfach nur was einkaufen solltet. Wieso habt ihr beide den Gefallenen Ursprung verlassen?“
Ji Bai hob die Brauen: „Hat die Parasitin dir nicht gesagt, dass die Geschäfte dort nicht hatten, was wir kaufen sollten?“
„Okay, in Ordnung. Ich werde Lin und Huo Lei Bescheid sagen. Und muss mir noch Xiaosha hier irgendwo schnappen und dann rüberfahren… Warte einfach da, wo du bist, es dürfte nicht allzu lange dauern.“
„Okay.“ Auch nach Ende des Anrufs hielt Ji Bai sein Langschwert immer noch fest in der Hand und wischte mit einem Stück Stoff das Blut von dessen Klinge. Anschließend sprang er – immer noch den Griff der Waffe fest im Griff – in das Loch, welches einmal der Zugang zum Treppenhaus gewesen war.
…………
„Haaa! Du kleiner Störenfried! Denkst du den ganzen Tag nur daran, wie du mehr Probleme verursachen kannst? Möchtest du, dass ich vor Erschöpfung umfalle?…“, waren Lin Tuos erste Worte, als er sein kleines Auto vor das Gebäude von SternenGeist gefahren hatte.
Hinter ihm stieg auch Xiaosha aus dem Fahrzeug. Sie gab sich einige Mühe, sich hinter dem Rücken des Mannes zu verstecken.
„…“ Ji Bai hingegen zeigte keine Reaktion auf Lin Tuos Worte und zeigte ihm nur weiter seinen Rücken.
„Hä? Was ist los, Junge? Versuchst du etwa, mysteriös zu wirken? Wie auch immer, ich verstehe die Jugend von heute ni-…“ Er wurde von einem silbern leuchtendem Langschwert unterbrochen, das urplötzlich vor ihm aufgetaucht war, und dessen Spitze fast seine Nase streifte.
„Fick dich! W-Was soll das?! Ji Bai, hast du endgültig den Verstand verloren? Ich bins‘, Lin Tuo? Dein Lehrer! Auch wenn ich vielleicht nicht immer nett war, gibt es doch keinen Grund für sowas, nicht wahr?“ Mit Ji Bais eiskaltem Blick konfrontiert, blieb ihm – der Feigling, der er war – nichts anderes übrig als beide ergeben Hände zu heben. Xiaosha hinter seinem Rücken hastete einige Schritte rückwärts, voller Angst, dass Ji Bai sich an ihr rächen könnte, indem er sie niederstreckte.
„Was hast du denn jetzt schon wieder, Kakerlake?“, ertönte just in diesem Augenblick eine kalte Stimme. Lin und Huo Lei waren auch angekommen. Nachdem sie informiert worden waren, waren sie sofort hergeeilt. Aber da Huo Leis Erscheinungsbild sehr auffällig war, konnte er sich nur in einer verlassenen Straße wie dieser offen zeigen.
„Hat dir dein ach-so-toller Ritterorden beigebracht, dich öffentlich gegen deinen Vorgesetzten aufzulehnen?“ Lins Augen strahlten Eiseskälte aus, als sie mit einem Fingerschnippen ihre blutrote Peitsche beschwor.
„Ähh? K-Kämpft nicht! Das lasse ich nicht zu! Wir sind doch auf derselben Seite!“, versuchte Lin Tuo die angespannte Stimmung aufzubrechen. Er wedelte wild mit seinen Armen, verzweifelt im Versuch, die beiden Streithähne zur Besinnung zu bringen.
„Ähm… Schüler Ji Bai, wenn es irgendwas gibt, mit dem du unzufrieden bist, kannst du dich immer an mich wenden. Ich erkläre dir gerne alles. Aber es macht keinen Sinn, einfach so andere mit dem Schwert zu bedrohen, nur weil du schlecht drauf bist, oder? Schließlich sollten sich Männer von Ehre auf Wörter, nicht auf Gewalt verlassen.“, versuchte Lin Tuo zu versöhnen. Während er sprach hatte er zudem Lin signalisiert, dass sie ihre Magie beenden sollte,
„Eine Erklärung?? Okay…“ Ji Bai lachte spöttisch und senkte sein immer noch auf Lin Tuo gerichtetes Schwert. „Dann erkläre mir doch bitte mal, was mit diesem Gebäude hier geschehen ist.“
Lin Tuo atmete erleichtert aus und blickte zu den Resten des einst stolzen Hochhauses. „Ähh?“ Seine Körper versteifte sich. „Ist das etwa das Gebäude von SternenGeist? Was ist hier geschehen? Ist eine Bombe eingeschlagen? Haa… Wobei wir schon davon reden: Ich hatte mich einmal hier beworben gehabt und wurde damals abgelehnt. Wenn ich mal nachdenke, hätte ich wirklich ein vollwertiger Unternehmer werden können, wenn sie mich genommen hätten.“, rühmte er sich selbst. „Haha.“
„Lass den Schwachsinn! Erkläre mir das! Jetzt! Kann mir nicht mal endlich irgendjemand von Euch sagen, was hier los ist?“, stieß Ji Bai mit zu Schlitzen verengten Augen aus und musterte nacheinander alle anwesenden feindselig.
„Äh-hä… Ich möchte hiermit mein tiefstes Beileid aussprechen, aber was mit dem Gebäude geschehen ist, also dieses Unglück ist nicht meine Schuld! Und noch weniger die der anderen!“, sagte Lin Tuo mit unschuldiger Miene.
„Richtig… Es ist schließlich immer die Schuld der Waffe, nicht des Mörders… Habe ich Recht?“, entgegnete Ji Bai spöttisch.