Kapitel 40 – Unheimliche Mitschüler
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Kapitel 40 – Unheimliche Mitschüler
Zwei mit Eiseskälte gefüllte Augenpaare starrten sich an, Mordabsichten stießen in einem Funkenregen in der Luft zusammen. Keiner der beiden wollte als erstes weckblicken; Somit sanden sie da, als ob sie in der Zeit eingefroren wären.
„Du… Warum bist du hier?“ Ji Bais Augen waren dünne, Feindseligkeit versprühende Schlitze, durch die er die Silberhaarige, die auf einem der hinteren Sitze, ihre Beine überschlagen und ihren Kopf auf eine Hand gestützt, saß.
Wenn es um Dämonen, vor allem Vampire, ging, hatte er noch nie seine Feindseligkeit oder seinen Hass ihnen gegenüber verbergen können.
Im Kontrast dazu wandte Lin ihren Kopf ab und starrte ausdruckslos durch ein Fenster in den blauen Himmel. Sie hatte augenscheinlich gar keine Absicht, auf Ji Bais Fragen zu reagieren.
„…Sag mir bloß nicht, dass jetzt einen gewissen, bösartigen Vampir unter den Schülern gibt!“ Dies ließ in ihm eine unangenehme Erinnerung hervorkommen, sodass er mit Abscheu im Blick einen Schritt zurückwich.
Lin verdrehte ihre Augen. „Kannst du bitte die Klappe halten? Mir geht es doch auch schlecht, schließlich muss ich so früh am Morgen eine Kakerlake sehen.“ Sie zwang sich, nicht Ji Bai anzusehen. Als ob sein Anblick ihren Augen schaden würde…
„Eine Kakerlake ist immerhin besser und stärker als ein dreckiger und widerwärtiger Parasit!“ Ji Bai ließ es sich nicht gefallen, in einem Duell der Worte geschlagen zu werden.
„Oh… Eine junge Vampirin aus der königlichen Familie, die zuvor ein prächtiges Leben geführt hat, ist tatsächlich so tief gefallen, dass sie Menschen um Almosen anbetteln muss? Kann es sein, dass du von deinesgleichen verlassen oder verraten worden bist? Haha, was für eine traurige Geschichte.“, provozierte er Lin weiter1. Sein Tonfall triefte nur vor Spott und sein Gesicht war eine Maske auf Hohn.
Dem Ziel seiner Tirade gelang eigentlich unmögliches: Zugleich die Brauen zu heben und sie zu runzeln. Unterbewusst setzte sie ihre schlanken und schneeweißen Beine auf dem Boden ab und erwiderte Ji Bais Blick mit ihren Augen, die ruhigen Seen aus Blut glichen.
„Oh, ehrenwerter Herr Ritter. Wieso versucht ihr denn nicht, von Tür zu Tür zu gehen und um Spenden zu bitten? Und wieso warten eure Kumpel im Ritterorden nicht auf euch?“ Ein kaltes Lächeln verzog Lins Mundwinkel. „Oh~ Kann es sein, dass sie dich auf Grund deines Aussehens und deiner grässlichen Persönlichkeit rausgeworfen haben? Wie traurig…“
„Du dreckiger Parasit! Ihr Vampire seit die Geißeln dieser Welt! Früher oder später werde ich euch noch helfen, euer Ende zu finden!“
„Ein Räuber, der Gerechtigkeit ruft, hat kein Recht, uns so etwas zu sagen.“
Für einen Augenblick lag eine extreme Spannung in der Luft des Klassenraums. Wie bei einem Fass voller Schießpulver war nur ein kleiner Funken nötig, um eine Explosion hervor zu rufen.
In ihrer vorherigen Konfrontation hatte die Vampirin eigentlich nur Ji Bais Fähigkeiten geprüft. Sie hatte nicht ihre volle Kraft genutzt, stattdessen nur ein wenig Magie in einer symbolischen Geste. Natürlich war Ji Bai klar, dass sie noch weitere Asse im Ärmel hatte. Er konnte sich schließlich auch daran erinnern, dass es ihn selbst große Mühe gekostet hatte, einen Herzog, in dem nur verdünntes Blut der königlichen Familie floss, zu besiegen. Natürlich war es offensichtlich, dass Lin, deren Verbindung zu den Herrschenden der Vampire deutlich enger war, nicht so einfach besiegt werden konnte.
Trotzdem hatte er keine Angst vor ihr. Der Hauptgrund, wieso er noch nicht gehandelt hatte, war, dass er arm war. Extrem arm…
Er hatte nicht vergessen, welche Hand ihn fütterte. Wenn er ein weiteres Mal hier Chaos verbreiten sollte, wäre er wohl gezwungen, den eigenen Körper zu verkaufen oder gleich ein Sklave zu werden.
Beide Kontrahenten schnaubten genervt.
Auch die Vampirin wollte nicht zuschlagen. In ihren Augen waren Leute, die jede kleine Ausrede nutzten, um sich zu bekämpfen und zu töten, primitive Barbaren. Sie hasste Gewalt und wollte sich nicht die Hände schmutzig machen, solange es nicht notwendig war.
Somit wandten sie sich beide wieder voneinander ab, nachdem sie sich einige Zeit lang einfach nur angestarrt hatten. Ihre beiden Anschauungen waren inkompatibel, somit trugen sie ablehnenden Gesichtsausdrücke, welche offen zeigten, dass sie nicht miteinander reden wollten.
Ji Bai setzte auf der linken Seite des Klassenzimmers an einen Platz am Fenster. Damit saß er so weit wie möglich von Lin, deren Platz auf der gegenüberliegenden Seite war, entfernt.
Außerhalb des Raumes ertönten einige Schritte, die von einer schneidenden männlichen Stimme begleitet wurden: „Oh, dank Gott! Nach so viel Mühen habe ich endlich diesen Ort gefunden! Jetzt muss ich nur noch einige dieser wunderbasten Wunderbonbons nehmen.“ Ein großer, aber dünner Mann erschien im Türrahmen. Seinen Kopf zierte ein kleiner Pferdeschwanz, eine runde Brille mit dunklen Fenstern lag auf seiner Nase und er trug eine Umhängetasche über der Schulter. Alles in Allem sah er wie einer dieser wahrsagenden Scharlatan, die man oft am Straßenrand finden konnte, aus.
„Ähh? Ist das hier richtig? Ich bin doch eigentlich nicht falsch abgebogen, oder?“, fragte der Neuankömmling zweifelnd, nachdem er in den Klassenraum geblickt hatte, und kratzte sich am Hinterkopf.
„Ah? Ich dachte, ich hätte mich verirrt, ist jemand hier? Hey, Silberhaariges Fräulein, ich habe da eine Idee, also… Ich frage mich…“ Lins Augen, welche geschlossen waren, öffneten sich ruckartig und warfen einen eiskalten Blick auf den Scharlatan.
„Häää… Sind jetzt eventuell ‚diese Tage‘ oder so? Du siehst nicht gut gelaunt aus…“ Auch wenn er nur zu sich selbst murmelte, erreichte seine Stimme doch die Ohren beider bereits im Klassenzimmer sitzenden.
„Pfft…“ Ji Bai drehte sein Gesicht in Richtung des Fensters. Seine wie in einem Anfall zuckende Lippen bezeugten, dass er ein Lachen mit Mühe zurückhielt.
„…“ Lin hob die Brauen. Obwohl sie Ji Bais unterdrücktes Lachen wahrgenommen hatte –diese Kakerlake hatte sich offensichtlich keine wirkliche Mühe gegeben, es zu unterdrücken – sagte sie nichts, lehnte sich nur erneut im Sitz zurück und schloss die Augen.
„Hey, mein Freund“, sprach der Neue Ji Bai an. Niemand hatte sehen können, wie er an dessen Seite getreten war. Er faltete er seine Hände und ließ einen Wasserfall an Wörtern auf sein neues Opfer los: „Ich sehe, dass du endloses Potential hast. Mit deinem Gesicht stehst du aus der Menge heraus! Mit deinem Potential, deiner mächtigen Erscheinung wirst du sicher sehr bald großen Erfolg feiern und eine große Persönlichkeit werden…“
Ji Bai unterbrach den Redefluss mit seiner Hand. „Halt! Komm doch einfach zum Punkt.“
„Ahhh! Also direkt zum Thema, richtig? Du, mein Freund, bist also wirklich eine direkte Person! Also gut, dann, eine direkte Person nutzt wohl wirklich keine Andeutungen… Also ich habe hier eine Medizin, die Tianshan-Schnee-Lotus als Grundlage nutzt, sie ist ursprünglich mit den leidenschaftlichen Gefühlen des großen Weisen, Wu Renji, und der endlosen Güte von Xiong Fengshan erschaffen worden2. Sie packt deine Beschwerden bei der Wurzel! Ich garantiere dir, dass sie alle Krankheiten heilen kann! Also, und selbst wenn es dir gut geht, stärkt sie deinem Körper! Ähm, ich verkaufe sie sogar zu einem geringen Preis, also einem der Kindern wie Erwachsenen fair erscheinen muss! Wenn du 10 Packungen kaufst, gibt es eine Pille gratis! Also möchtest du…“
Ji Bais Lippen zuckten leicht. Er konnte schwören, dass er gehört hatte, wie der Neue nach der Klasse gesucht hatte. Also war er wohl einer seiner Mitschüler.
Er blickte kurz zur sich entspannenden Vampirin und anschließend zu dem Schwindler vor sich, der immer noch seine leeren Phrasen von sich gab. Ein leichtes Gefühl von Verzweiflung überkam ihm, die Hoffnungen, die er gehegt hatte, waren zu Staub zerfallen.
‚Wer zum Teufel ist denn alles in dieser Klasse?‘
Aus dem nichts unterbrach eine Reihe harscher Klänge den Redeschwall des Scharlatans. Der Boden zitterte leicht, als sich der Lärm der Klasse näherte.
‚Was ist los? Hier gibt es keine Geiseln, die gerettet werden müssten, was soll der Lärm?‘
Noch bevor Ji Bai sich zu ende überlegen konnte, was der Fall war, erklang ein krachendes Scheppern aus Richtung des Eingangsbereiches des Raumes. Als er dort hinblickte, sah er, dass die schwere Eisentür der Klasse auf dem Boden lag. Gar nahm der Türrahmen nun doppelt so viel Platz wie zuvor ein.
Langsam trat eine massige Gestalt in den Raum. Ihre bläuliche Haut und ihr drei Meter hoher Körper, zusammen mit mächtigen, übermenschlichen Muskeln und wilden, rotem Haar, machtes es für Ji Bai deutlich, dass die Kreatur, die er nun sah, kein Mensch war.
Ein Troll…
Ji Bais Mundwinkel wollten nicht mehr aufhören zu zucken.