Kapitel 69 – Ein Duft~
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Kapitel 69 – Ein Duft~
„Was ist denn, mein lieber Ji Bai? Oh, bist du etwa verletzt?“, fragte Lin Tuo verblüfft, als er Ji Bai taumeln sah und erblickte, wie kalter Schweiß die Stirn seines Schülers bedeckte.
„Es ist nichts…“
„Ji Bai?? Geht es dir nicht gut?“ Ke’ers kleine und warme Hand ergriff Ji Bais. Ihr Schwanz schwang besorgt hin und her. „Bitte, ich mach mir schon Sorgen…“
„E-Es ist nichts. Nur was Kleines, mehr nicht. Es ist überhaupt kein Problem…“, erwiderte Ji Bai, stark darum bemüht, seine Stimme tief zu halten. Solange er nur konnte, wollte er nur seine normale Stimmlage ihr gegenüber nutzen.
„Du darfst bei Verletzungen niemals nachlässig sein! Bruder Ji Bai, du musst dich selbst nicht so quälen. Wieso gehen wir nicht gemeinsam zur Krankenstation?“, mischte sich auch Huo Lei mit sorgenerfülltem Blick ein.
„Nein…“ Angst übermannte Ji Bai. „I-Ihr alle! Bleibt mir fern!“, rief er und signalisierte seinem Mitschüler, ihm fern zu bleiben.
Doch nach seinem Ausruf sahen ihn alle, auch Lin, überrascht an.
„…Also, ähm, ich glaube, dass du dich untersuchen lassen solltest! Wahrscheinlich ist es auch besser, wenn ich dich dahin trage… Hör dich doch mal selbst an! Deine Stimme ist schrill geworden und doch bestehste‘ darauf, dass du nicht verletzt bist?“, kniff Huo Lei seine Brauen zusammen. Aus seiner Sicht wollte Ji Bai wohl nur seinen Ruf erhalten und aus diesem Grund seinen Mitschülern gegenüber keine Verletzung zugeben.
„Red‘ doch keinen… Mist!“ Nur nach wenigen Worten bedeckte Ji Bai seinen Mund mit seinen Händen. „Wann ist meine Stimme…“
‚Mist! …Die Krankheit bricht aus! Meine Stimme ändert sich schon… Wenn es so schnell weitergeht, werde ich bald…‘
‚Ah, wieso ist mir so heiß…‘
Er unterdrückte mit aller Macht die von seinem Herz aus aufsteigende Hitze, die sich durch seine Gliedmaßen und Knochen fraß. Seine Adern, seine Haut und internen Organe begannen schon, zu schrumpfen…
„Ahh!~“, stöhnte er auf, kurzzeitig nicht in der Lage, die Unruhe in seinem Körper auszuhalten. Dieses zarte und anzügliche Stöhnen ließ alle Anwesenden überrascht erstarren.
„…Was ist denn mit dir, Schüler Ji Bai?“ Lin Tuo trug einen recht eigentümlichen Gesichtsausdruck. „Wenn du krank bist, solltest du wirklich sofort zur Krankenstation gehen. Deren Ausstattung kann sich auch sehen lassen und wir berechnen Schülern keine Gebühren.“
Ke’er spürte, wie Ji Bais Hände eiskalt wurden und presste ihren Körper sorgenerfüllt gegen seinen. „Ji Bai, geht es dir nun besser?“
„Also wirklich! Narben sind die Medaillen eines Kriegers! Was gibt es denn für einen Grund, sich zu schämen? Es ist schlecht, sich nicht um eine Krankheit zu kümmern, also komm, lass mich dich tragen!“, sagte Huo Lei besorgt und trat direkt an Ji Bai heran. Sein Plan war es, seinen Mitschüler auf seine Schulter zu werfen und ihn so zu tragen.
Mit Ke’er fest an sich geklammert, seiner Krankheit kurz vor dem endgültigen Ausbruch und unter den besorgten Blicken aller anwesender, verfiel Ji Bai in vollständige Panik.
„B-bleib weg! Bleib mir fern! Mir geht es gut… Aaaahhh!“, rief er aus, als er die Huo Leis große Hände immer näher kamen sah und sich sein Überlebensinstinkt regte. „I-Ich habe nur eine Erkältung und mein Hals fühlt sich nicht gut an, mehr nicht! Ein heißes Bad wird das schon richten! Also bleibt mir alle fern!“, fuhr er alle anderen mit bedecktem Mund laut an.
Anschließend befreite er sich aus Ke’ers Umklammerung und hetzte davon, so schnell, dass er scheinbar verschwommene Nachbilder hinter sich zurückließ.
„…Dem Perversling wird es doch gut gehen, oder?“, fragte Xiaosha mit leicht gehobenen Brauen.
„Oh, eine Erkältung? Ich wusste es!“, schlug sich Huo Lei vor die Stirn. „Darum habe ich ihn ja auch gefragt, wieso sich seine Stimme plötzlich verändert hatte!“ Er war von Ji Bais Ausrede überzeugt worden.
„Ji Bai…“, brachte Ke’er besorgt vor, während sie Ji Bais sich immer weiter entfernender Silhouette hinterher sah.
Die einzigen, die keine Worte von sich gaben, waren der immer noch Mantras aufsagende Daoistenpriester Pianzi, die ausdruckslose Lin und Lin Tuo, der sich gerade über das Kinn strich.
„Wieso muss ich nun daran denken… Dieses Vampir-Mädchen aus der königlichen Familie, ich habe das Gefühl, dass ihr schon einmal ihre Stimme gehört hatte… Wo war das aber nur? Ich kann mich einfach nicht erinnern…“ Nach einigen Momenten der Überlegung gab Lin Tuo auf, diesem Geheimnis auf den Grund zu gehen.
……………..
Ji Bai rannte, als ob er flog. Schnell wie ein Blitz hetzte er durch die Gänge.
In seinem Gehirn verknotete sich ein Geschnür aus Gedanken, als er immer weiter rannte und dabei sogar mehrere Leute anrempelte.
‚Es-Es wird geschehen, die Krankheit wird ausbrechen…! Ich muss mich beeilen und einen leeren Ort finden, an dem ich mich darum kümmern kann! …Ähh… Sind das hier die öffentlichen Baderäume? Genau der richtige Ort! Hoffentlich gibt es hier auch private Räume…‘
Er hastete an den Tresen der öffentlichen Baderäume. „Ähm, gibt es hier noch freie und private Baderäume?“, frage er die dortige Empfangsdame. Da er die Änderung seiner Stimme mit aller Macht unterdrückt hatte, klang sie wie ein tiefes Knurren. Ohne auf seine Manieren zu achten, schlug er mit seinen Händen auf die Tischfläche.
„Es tut mir leid, verehrter Schüler.“, erwiderte die junge Frau. „Zu dieser Zeit sind die privaten Baderäume zumeist belegt. Aber die öffentlichen sind-…“
„Ist wirklich keiner mehr frei?“, unterbrach Ji Bai sie. „Es ist ein Notfall! Es geht um Leben und Tod! Können sie nicht bitte etwas für mich machen?!“ Noch immer widerstand er dem Schrumpfen, das seinem Körper drohte und fühlte sich den Tränen nahe.
Angesichts der seltsamen und intensiven Blicke der umherstehenden Leute, fiel Ji Bai kraftlos auf seine Knie.
‚Das wars… Wenn ich vor so vielen Leuten auffliege, wird das mein Ende sein…‘
Angesichts Ji Bais kreidebleichen Gesichts und seiner mit Verzweiflung gefüllten Augen, konnte die Empfangsdame es nicht über ihr Herz bringen, ihm zu widersprechen.
„Ähm, um ehrlich zu sein, ist tatsächlich noch ein Raum frei. Der vierte auf dem vierten Flur ist aktuell nicht belegt, aber…“
„Wunderbar! Danke, meine Liebe! Ich werde mich noch nach meinem Tod an deine Freundlichkeit erinnern!!“ Wie ein Wanderer in der Wüste, dessen hoffnungsvoller Blick auf eine Oase gefallen war, sprang Ji Bai auf und eilte – die Worte der jungen Empfangsdame ignorierend – geschwind wie der Wind in Richtung der Treppe.
„…-Aber jemand hat den Raum schon reserviert…“, brachte die junge Frau noch vor. Doch war dies viel zu spät, Ji Bai war bereits die Treppe empor gerannt.
……………..
„Ahhhhh!!“ Die Adern in Ji Bais Augen traten hervor, als er in Baderaum 404 reinstürmte. Der Anblick des leuchtenden und reinen Wassers verleitete ihn dazu, direkt und ohne zu zögern in das Schwimmbecken zu springen.
Inmitten der Wassersäule, welche vom Einschlag aufgewirbelt wurde, leuchtete ein blutrotes Licht auf und ein Schwarm an blutroten Fledermäusen flog in alle Richtungen vom Becken weg.
Nach kurzer Zeit kehrte das Wasser in einen ruhen Zustand zurück.
Ein silberhaariges Mädchen hob ihren Kopf über die Wasseroberfläche und spuckte ein wenig Wasser, das in ihren Mund geströmt war, aus. „Ha… Ich habe es rechtzeitig geschafft. Wie ermüdend…“, sagte sie erleichtert, wie von einer großen Last befreit.
Bai Ji blickte sich anschließend in dem kleinen Baderaum um. Der Boden bestand aus gemasertem Macoré-Holz und die grell blauen und orangenen Wände waren mit Zeichnungen von Manga-Charakteren1 verziert. Eine warme Lampe spendete dem Schwimmbecken angenehmes Licht und die Wassertemperatur war perfekt austariert. Zudem schwammen einige gelbe Quietsche-Enten und eine Wassermatte umher. Alles in allem eine sehr angenehme Umgebung.
Aber natürlich würde sie – sie war ja schließlich kein kleines Kind – niemals den Gedanken hegen, mit einer Quietsche-Ente im Wasser zu spielen. Vielmehr gab es sowieso noch etwas viel Wichtigeres, um das sie sich kümmern musste: Ihr Magen war immer noch leer.
„Hmm…? Blut… das ist der Geruch von Blut~!“, rief Bai Ji begeistert aus und schoss in die Höhe. Hastig blickte sie sich um, bis sie eine rote Flüssigkeit in einem Glas auf der nahen Wassermatte sah. Ihre Augen leuchteten begeistert auf.
‚Oh, ja! Gerade, wenn ich etwas brauche, kriege ich es auch~! Frisches Blut in einem Glas auf einer Wassermatte… Wie romantisch~! Als ob es speziell für mich zubereitet worden wäre!‘
Ihre Pupillen schienen sich voller Entzücken zu Herzen zu verformen, als sie begriff, was sich ihr hier bot. Ohne auf ihre Haltung zu achten, griff sie nach der Wassermatte in der Mitte des Schwimmbeckens.
„Juhu~! Dann mal guten Appetit~!“, rief sie noch aus, bevor sie – auf der Wassermatte in einer gekauerten Position sitzend – die Verzierung in Form einer Zitrone, die das Glas zierten, ableckte. Nachdem sie eine anmutigere Haltung eingenommen hatte, trank sie den gesamten blutroten Inhalt des Glases in einem einzigen Schluck.
„Haaa~!“ Anschließend leckte sie sich noch einmal über die Lippen und genoss den Nachgeschmack. „Das war meine Rettung!“, sagte sie, während sie sich zufrieden den Bauch rieb.
Auch wenn es nicht gerade viel gewesen war, war es immer noch genug gewesen, ihren größten Durst zu stillen.
Mit nun gefülltem Magen wandten sich Bai Jis Gedanken Nebensächlichem zu. Zufrieden und mit guter Stimmung legte sie sich auf die Wassermatte, ergriff ein vorbeischwimmendes Quietsche-Entchen und drückte es zusammen. Ein Quietschen ertönte aus dem Schnabel des deformierten Spielzeugs.
‚Tch! D-Das ist nichts, mit dem ich spielen möchte! Ich bin kein Kind mehr, also wie könnte ich nur an sowas interessiert sein? Aber es dürfte doch in Ordnung sein, hier noch ein wenig zu bleiben, oder??‘
Bi Ji löste die Schleife auf der Brust ihres Kleides, welches zur Folge hatte, dass sich das Kleidungsstück in rotes Licht verwandelte, welches in ihrem Körper verschwand. Nachdem sie auch ihre beiden wie Fledermausflügel geformten Haarklammern gelöst hatte, sprang sie ungeduldig wieder ins Wasser und begann, eine fröhliche Melodie zu summen.
„Lalala~♫“