Kapitel 50 – Gefangen
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Kapitel 50 – Gefangen
„Also was möchtest du uns denn eigentlich sagen?“, fragte Lin Tuo verblüfft.
Lin hingegen kniff ihre Augen zusammen. „Kannst du bitte erklären, was überhaupt los ist?“
„ICH muss das hier erklären? Hahaha“, lachte Ji Bai und warf der Vampirin einen düsteren Blick zu. „Möchte die Parasitin also immer noch die Dumme spielen? Also schön, lasst mich erzählen, was hier geschehen ist:“ Er kniff seine Augen bedrohlich zusammen. „Dieses Gebäude ist von Dämonen angegriffen worden. Genauer gesagt, sind Trolle eingedrungen und haben es demoliert. Es ist immer noch unklar, wie viele Leute hier gestorben sind.“ Mit diesen Worten blickte er zu Huo Lei, dessen Gesicht einen unansehnlichen Ausdruck angenommen hatte. „So, klingelt es nun bei einem von euch?“
„…Bist du dir sicher, dass es wirklich Trolle waren?“, schaltete sich Lin Tuo wieder ein. Sein zuvor ängstliches Gesicht trug nun einen ernsten Ausdruck.
„Ihre Leichen liegen auf dem Dach. Wenn du mir nicht glaubst, kannst du gerne hochgehen und für ihre Seelen beten.“ Zufall oder nicht, er warf Huo Lei während seiner Worte einen weiteren Blick zu.
Lin blickte Ji Bai in die Augen. „…Denkst du also, dass wir daran schuld sind?“
Dessen Blick traf Lin Tuo wie ein scharfes Messer. „Da liegst du leicht falsch, ich denke es nicht, ich bin mir zu hundert Prozent sicher!“
„…“ Überraschenderweise versuchte Lin Tuo nicht, abzuwiegeln. Stattdessen verschränkte er seine Arme und runzelte nachdenklich die Brauen.
„Und, gibt es sonst noch andere Dämonen in Grenzstadt? Nein! Alle, denen ich bisher begegnet sind, gehören einer gewissen Organisation an!“ Mit diesen Worten ließ Ji Bai seine grimmigen Augen über die Anwesenden wandern.
Lin erwiderte ausdruckslos seinen Blick: „Nutze dein Gehirn und denk mal nach. Wenn wir wirklich solche Absichten hätten, warum würden wir genau jetzt angreifen? Und vielmehr, warum würden wir dann jemanden wie dich – ein ehemaliges Mitglied eines Ritterordens – aufnehmen?“
„Und wie haben die Trolle es sonst geschafft, hierher zu kommen? Bitte versucht nicht, mir aufzutischen, dass sie sich einfach mit Gewalt durchgekämpft haben!“
Doch gerade als die Lage immer angespannter wurde, erklang ein Klingelton aus Lin Tuos Tasche und riss diesen aus seinen Gedanken.
„Hallo? … Lan Yi? Was ist los?“ Obwohl sie ruhig war, trug seine Stimme Spuren von großer Ernsthaftigkeit in sich. Sein Verhalten war – ganz anders als jenes schmeichlerisches, was er gezeigt hatte als er Ji Bai das erste Mal getroffen hatte – eher das eines Befehlsempfängers.
„…“ Unverständliches Gemurmel antwortete ihm. Auch wenn Ji Bai nicht wirklich hören konnte, was gesagt wurde, konnte er trotzdem sehen, wie Lin Tuos Augen leicht zitterten.
„In Ordnung, ich verstehe. Ah, es ist übrigens nicht erforderlich, das Rettungsteam zu schicken. Die können sich um anderes-…“ Lin Tuo ließ seinen Blick über alle Anwesenden wandern. „Ja, ich bin mir sicher.“, sagte daraufhin mit Ernst in der Stimme.
„Okay, das wars.“ Er legte auf.
„Schüler Ji Bai, darf ich dich darum bitte, deine Zweifel, ob du uns trauen kannst oder nicht, fürs erste beiseite zu legen. Mir wurde gerade mitgeteilt, dass eine Armee an Trollen seit einiger Zeit vor der Stadtmauer steht. Sie haben Grenzstadt komplett umzingelt; Nichts kommt mehr rein und nichts raus.“
„Was??“ Bei diesen Worten verdunkelte sich nicht nur Ji Bais Miene, auch die anderen Schüler trugen Entsetzen zur Schau. Dies galt besonders für Xiaosha; Ihre Katzenohren zitterten wie Espenlaub.
Gerade Nekos hatten extreme Angst vor Trollen.
Natürlich war ihr klar, was geschehen würde, wenn Trolle, die als ‚unzivilisierte Monster‘ bekannt waren, eine Stadt einnehmen sollten.
„Sind diese Hunde komplett durchgedreht? Was können sie überhaupt tun, die Barriere und die Stadttore…“ Ji Bai musste sich unwillkürlich an die Gruppe an Trollen erinnern, der er vorher begegnet war und runzelte die Brauen. Langsam beschlich ihn der Gedanke, dass die Lage doch komplizierte sein könnte, als es ihm zuerst erschienen war.
„Den Ermittlungen unserer Leute zufolge hat die Barriere, die eigentlich die Stadt umschließen soll, vor zwei Stunden ihren Dienst eingestellt.“ Lin Tuos Stimme hatte eine gewisse Schwere gewonnen.
„Wie kann das sein…?“ Ji Bais Finger zitterten leicht. Benommen blickte er in Richtung der Stadttore und dachte an das, was ihm einst sein damaliger Lehrer gesagt hatte…
…………
„Herr Lehrer, ist die Barriere wichtig?“, hatte Ji Bai, damals noch im Rittertraining, neugierig gefragt.
Sein alter, grau-haariger Lehrer hatte geseufzt. „Am Ende des Tages sind Menschen und Dämonen Kreaturen, die nicht auf dem selben Level sind. Und diese Lücke kann nur schwer überkommen werden… Kleiner Bai, du bist immer noch jung und bist noch viele, viele Jahre davon entfernt, ein silberner Ritter zu werden. Aber weißt du was? Nur silberne Ritter sind überhaupt in der Lage, das Schlachtfeld zu betreten. Schließlich kann selbst ein schwächlicher Dämon mit Leichtigkeit gegen zwei durchtrainierte silberne Ritter siegen…“
„Also, ahnst du, was geschehen sollte, falls die Barriere ausfallen sollte?“
„Sobald das geschieht, wird ein einseitiges Massaker stattfinden und Blut wie Flüsse fließen.“
…………
„Was ist mit dem Ritterorden? Sind sie schon auf den Mauern?“, fragte Ji Bai leicht nervös.
„Da sind nur ein paar Soldaten, die dort patrouilliert hatten.“ Lin Tuo schüttelte den Kopf und presste eine Hand gegen seine Schläfe. „Und wenn die Anfrage nach Verstärkungen bearbeitet wurde, wird es schon zu spät sein, um Truppen zu schicken.“
Ji Bai ballte die Faust. „Wie konnte das nur geschehen…“
„Aber das ist nicht das Wichtigste! Die Trolle umstellen aktuell nur die Stadt und dürften sich erstmal damit schwertun, sich rein zu kämpfen. Wichtiger ist, dass Ke’er vor zehn Minuten von einer Gruppe Trollen entführt worden ist.“
„??? Was hast du gesagt?!“
…………
Eine halbe Stunde zuvor:
„Bist du dir sicher, dass du alleine gehen willst? Wenn du etwas brauchst, kannst du es mir gerne sagen. Du musst wirklich nicht selbst gehen.“
„Keine Sorge, ich habe meine Ohren und meinen Schwanz verborgen. Niemand wird mich verdächtigen~“ Ke’er lächelte und tätschelte die Kopfhörer, die sie trug.
„In Ordnung… Aber bitte sag mir zumindest, was du draußen vorhast, okay? Die menschliche Gesellschaft ist nicht so friedlich und sicher, wie du denkst.“, sagte Lan Yi hilflos.
„Ähm, nichts Besonderes~ Es ist nur, dass ich die Wohnung gereinigt habe und gesehen habe, dass Ji Bai gar keine Winterkleidung hat~ Ich möchte etwas für ihn kaufen, es ist ja schon mitten im Winter~“ Verlegen senkte die kleine Neko ihren Kopf.
Lan Yi konnte nicht anders, als bei diesem Anblick leicht zu seufzen. „Ji Bai muss wohl in seinem letzten Leben vieles gut gemacht haben, dass er nun dich hat.“
„Ich habe dir den Weg zum Kaufhaus schon auf dieser Karte eingezeichnet. Möchtest du, dass ich dir einen Begleiter mitschicken, der dir den Weg weist?“
„Ich kann es alleine finden~ Danke, Tante Lan Yi~“ Ke’er verbeugte sich leicht und lief anschließend in Richtung der Eingangstür der ‚Hoffnungs-Grundschule‘.
Eine kurze Zeit später lief Lan Yi immer noch unruhig auf und ab. Am Schluss entschied sie sich dafür, einige Ritter ihres Ordens zu rufen und ihnen folgende Anweisung zu geben: „…Ihr alle, folgt Ke’er und beschützt sie mit eurem Leben. Wenn ihr jemand Feindseligkeit zeigt, dann streckt ihn sofort nieder.“
„Verstanden!“, antworteten ihr die in dunkle Umhänge gehüllten Ritter einstimmig, salutierten ihrer Vorgesetzten und verließen den Raum.
Auf dem Stuhl hinter Lan Yi saß unterdessen ein silberhaariges Mädchen, welches mit vollem Einsatz eine Tüte Kartoffelchips verdrückte. Ihr Gesicht trug einen Ausdruck von Begeisterung, ihre Augen waren fest auf ihr Tablet fixiert, auf dem gerade ein Film lief.
Als sich Lan Yi zu ihr umdrehte, verschlug ihr der Anblick fast die Stimme. „Geehrte Hochmeisterin… Könntet Ihr euch bitte ein Mal wie ein Vampir benehmen?“ Die Silberhaarige hatte ihre Füße ihren Tisch gelegt, saß also in einer zügellosen Stellung.
„Hmm?“ Die Vampirin, ihre Wangen vollgestopft mit Kartoffelchips, legte den Kopf fragend schief.
Lan Yi seufzte tief. „…Ich bin mir sicher, dass die Vampirkönigin, wenn sie euch so sehen würde, euch wahrscheinlich aus der Königsfamilie verbannen würde.“