Kapitel 100 – Monster
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Kapitel 100 – Monster
Lin stieß das Schwert, deren Klinge sie mit zwei Fingern festhielt, wie nebensächlich nach außen.
Dies ließ Gordon einige Schritte nach hinten taumeln.
„Du bist nicht mein Gegner, hau ab.“ In ihren vorher so ruhigen Augen blitzte Mordlust auf; Dies sollte ihre letzte Warnung bleiben.
[Zutaten: Zunge einer Feuerechse, Schwefelstein]
“RALIETUMvestumcanis…Peccetorastsenguisfloruairescintilles…”
In einem Blitz wurde die Luft selbst in Brand gesetzt; Heiße Feuer-Schwaden eilten durch die dunkle Gasse und ließen die Temperatur massiv ansteigen.
Eine Menge feuerroter Geister tanzte freudig auf Gordons Handfläche umher. Ihre sengende Hitze ließ Lins Sichtfeld verschwimmen.
Als die Beschwörungs-Silben, welche Gordons Lippen formten, miteinander zu verschmelzen begannen, schien der faustgroße Feuerball über seiner Hand eine neue Energiequelle zu finden; Er begann, intensiver zu brennen, zu rotieren und wuchs zu neuer Größe an.
Ein Mensch – ein Angehöriger einer fragilen Spezies der untersten Schicht – hatte es geschafft, durch Sprache den Schutz der Feuergeister zu erlangen.
Dieser unvorstellbare Fakt, der sich ihren Augen darbot, ließ Lin erstaunt nach Luft schnappen. Trotz allem – egal wie unglaublich es war – war sie jedoch bereit; Ob nun, auszuweichen oder den Angriff abzuwehren.
Genau in diesem Augenblick kam der nicht enden wollende Spruch zu einem Stopp. Wie ein Ballon, aus dem Luft entweicht, erlosch und kühlte die Flamme ab – Als ob sie nur ein Aufblitzendes Feuerwerk gewesen wäre.
Gordon war einen Schritt zu Seite getreten, um der Klinge, die plötzlich auf ihn zu schnellte, auszuweichen. Jedoch war seine Kleidung, genauer seine zeremoniellen Roben, nicht so glücklich gewesen. Ein kleines Stück Stoff war abgetrennt worden.
Obwohl er vom plötzlichen Angriff überrascht worden war, zögerte Gordon nicht im Geringsten. Er rollte sich rückwärts, um der Reichweite des Langschwertes zu entkommen.
„Du bist recht schnell hergekommen.“, meinte er nur, als er wie nebensächlich den Schwefelstein und die Feuerechsenzunge wieder in eine Tasche steckte. „Anscheinend hast du eine ziemlich gute Nase für einen Schoßhund. Ich sollte dich wohl dafür loben, dass du dein Frauchen beschützt.“
„Ich möchte eigentlich nur dich schützen.“, entgegnete Ji Bai und warf einen Blick auf Lin, deren Hände bereits in blutrote Fäden gehüllt waren.
„Junge Leute sind wirklich furchtlos. Auch wenn du vielleicht noch keinen Dämonen gesehen hast, musst du doch zumindest von ihnen gehört haben, oder? Ich kann nicht garantieren, dass ich sie stoppen kann, wenn sie wütend wird…“
„Möchtest du mir wirklich weiter im Weg stehen?“ Gordons Blick war voller Eiseskälte.
Ji Bai runzelte die Brauen. „Hast du mich nicht verstanden?“
„…Es macht keinen Unterschied, wenn ich die Reihenfolge ändere und zuerst dich töte.“ Sein eigenes Schwert fest in der Hand, verlagerte Gordon sein Gewicht zu seinen Fuß-Solen.
Seine Klinge war mit einem pech-schwarzem Muster verziert: Ein bösartig blickender Waran.
Als er sie durch die Luft schwang, zeichnete sie einen Fluss aus Flammen in die Luft.
Das Geräusch brennenden Stoffes ertönte.
‚…Sein Schwert ist auch noch von einem Magier verzaubert worden?‘
Auch wenn Ji Bai dem Angriff der scharfen Klinge erfolgreich ausgewichen war, war sein Kragen von den Flammen angesengt worden.
‚Ein Kampf mag ein Kampf sein, aber es geht zu weit, das Eigentum anderer zu beschädigen!‘
Niemand würde es erlauben, eine solche Möglichkeit, während der der Gegner abgelenkt war, verstreichen zu lassen.
Somit gab auch Gordon Ji Bai keine Gelegenheit, zu verschnaufen. Er nutzte aus, dass sein Gegenüber auf die eigene Kleidung konzentriert war und ließ sein Schwert zurückschnellen. Dieses, immer noch Funken schlagend, wirkte wie eine Schlange, welche ihre Giftzähne auf ihr Opfer zu stieß.
Das Geräusch von Metall, das auf Metall traf, erklang.
Die brennende Klinge war vom Handschutz von Ji Bais Zweihänders gestoppt worden.
„In die Falle getappt.“, sagte dieser mit eiseskalter Stimme.
[Gewöhnliche Klasse – Schneller Handschutz-Konter] – eine Schwerttechnik. Sie würde im Augenblick, in dem sich ein Gegner bewegte, dessen Angriff mit dem Handschutz der eigenen Waffe blockieren und setzte eine schnelle Reaktionsfähigkeit voraus. Sie anzuwenden, erschuf eine Möglichkeit für den Angegriffenen, nach erfolgreichem Abwehren zurückzuschlagen.
Ein Schein des Staunens leuchtete in Gordons Augen auf, bevor er erneut nach hinten taumelte.
Diese Chance nutzte Ji Bai aus, indem nach ihm trat und ihn so mit dem Rücken gegen eine Wand prallen ließ.
„Versuch nicht, mit Schwertkunst anzugeben, wenn du sie nicht beherrschst. Das sorgt nur dafür, dass du irgendwann dein Leben verlieren wirst.“ Als sein Blick auf den tief-schwarz versengten Handschutz seiner Waffe fiel, biss er die Zähne zusammen.
Es wäre eine Lüge, wenn er behauptet hätte, dass dies ihn nicht stören würde. Schließlich war dieses verunreinigte Langschwert, welches nur einen kleinsten Anteil an Molybdän aufwies, das einzige Objekt in seinem Besitz.
Dagegen schien das Schwert in Gordons Händen so rein wie frisch gefallener Schnee. Selbst die Verzierung der Klinge war deutlich zu erkennen. Zudem zierten wertvolle Edelsteine seinen Handschutz – Ganz zu schweigen von der Verzauberung, welche auf ihm eingraviert war.
Es war wie der Unterschied zwischen einem brennenden Ast und einem Super-Rarem Schwert, welches bereits 8-mal aufgewertet worden war.
„Eine wohl ausgeführte Schwerttechnik in Verbindung mit einem gut abgepassten Tritt; Du bist ein Ritter.“, schlussfolgerte Gordon, während er sich Staub von der Kleidung klopfte und augenscheinlich unbeeindruckt aufstand.
Ein schwacher Schein, der an eine dünne Schicht metallener Haut erinnerte, wanderte über seinen Körper. Einiges der ‚Metallenen Haut‘ hatte ihn zuvor geschützt und fiel nun ab.
„Der Schutzzauber eines Magiers…“ Ji Bai verengte seine Augen. „Du bist ein Schamane.“
„Nein, ich bin nichts als ein Mensch.“
„…“ Ji Bai entgegnete mit Schweigen.
„Du kennst dich wohl nicht gut mit Magie aus. Auch wenn sie schwer zu lernen ist und man als Mensch nur begrenzt viele Sprüche meistern kann, gibt es immer noch Wissen, von dem man lernen kann.“ Gordon hob sein Schwert, welches er zuvor fallen gelassen hatte, wieder auf und richtete seine Augen nacheinander auf Ji Bai und Lin.
„Also sind die Ritter und Dämonen schon so weit, dass sie sich wie Familienmitglieder beschützen? Kein Wunder, dass es den Zivilisten immer schlechter ergeht… Den Zwischenfall von vor ein paar Tagen, als die Stadtmauern angegriffen wurden, habt ihr inszeniert, habe ich Recht?“
Ji Bai gab Gordons Worten keine Beachtung. Stattdessen nahm er eine Kampfposition ein und schwang sein Schwert einem Kriegshammer gleich nach unten.
[Zorn des Wachsamen]
„Hmpf.“, lachte Gordon grimmig. Im Angesicht der Klinge, die auf ihn hinzuschnellte, entschloss er sich ihr direkt gegenüberzutreten, anstatt sich zurückzuziehen, indem er seine Hüfte leicht drehte und sein eigenes Schwert hob.
Seine Bewegungen spiegelte Ji Bais wider.
‚Plant er etwa…?‘
[Zorn des Wachsamen]
Beide Waffen trafen in einem lauten Knall aufeinander und erfüllten die kleine Gasse mit einem metallenen Kreischen.
Die Funken Gordons Waffe explodierte in voller Macht nach außen und riss die umgebene Luft in ein Chaos. Zur selben Zeit schnellten Schockwellen nach außen und verursachten eine Reihe an Rissen an den nahen Wänden.
Beide Kombattanten schnellten nach hinten.
Ji Bai fiel, auf sein Schwert gestützt, keuchend auf seine Knie.
Dagegen schien Gordon den Angriff einfach weggesteckt zu haben. Als er aufstand, konnte man ihm keine Änderung ansehen außer die Anzahl der kleinen ‚metallenen Flocken‘, welche über seiner Haut schwebten – Sie war ein weiteres Mal reduziert worden.
[Zorn des Wachsamen] – Eine selten gesehene menschliche Schwertechnik, deren zerstörende Kraft die [Niederschmetternde Klasse] erreichen konnte. Auch wenn es weniger als 5 Jahre dauerte, bis man erste Erfolge mit ihr erreichen konnte, gab es kein Limit dafür, wie lange es dauerte, bis man sie gemeistert hatte. Schon allein dies machte es offensichtlich, wie schwer es war, eine derartige Schwerttechnik mit sonst unerreichtem Zerstörungspotential zu erlernen.
Ji Bai stand vorsichtig wieder auf und starrte Gordon einen Moment lang an.
„Ein Genie, was Schwertkunst angeht – Zumindest, wenn du auch wirklich ein Mensch bist.“
„Das ist zu viel Lob, aber lass mich dir danken.“, entgegnete ihm Gordon nach kurzem Schweigen.
Ji Bai verengte seine Augen leicht und warf sein Molybdän-Schwert in Richtung seines Gegners.
Dieser regte sich nicht, versuchte nicht, auszuweichen; Stattdessen trug er einen ruhigen Gesichtsausdruck und fokussierte seinen Blick auf das Langschwert, welches auf ihn zu flog.
Die Klinge der Waffe flog um Haaresbreite an seiner Schulter vorbei, traf mit einem lauten Knall auf ein schweres Exoskelett und prallte von diesem ab.
Vielleicht, weil die Kreatur, die hinter Gordon stand, getroffen worden war, wurden ihre Bewegungen leicht träge.
„Hssss…!“, zischte das Wesen und spie einen Strahl von Fäden aus, während seine kleinen, dichten, roten Augen blinzelten und sich ununterbrochen hin- und herbewegten. Seine 8 Beine, deren Spitzen sich tief in den Boden gebohrt hatten, waren mit spitzen, schwarzen Haaren bedeckt. Sein unterer Körper war von der Größe einer Kutsche und ohne Zweifel der einer Spinne, während sein Oberkörper dem einer wohlentwickelten, nackten Frau glich. Doch das Gesicht der Kreatur war formlos und nur von zahlreichen, keinen roten Augen übersäht. Zwei gewaltige, zangenartige Zähne entsprang dem Ort, an dem eigentlich Ohren vermutet werden würden.
„Hssss…“, zischte das Wesen erneut in einem Tonfall, der dafür sorgte, dass sich die Kopfhaut aller in der kleinen Gasse anwesenden zusammenzog.