Kapitel 97 – Haarklammern
Previous Chapter|Index|Next Chapter
Kapitel 97 – Haarklammern
Die Mitglieder der königlichen Familie der Vampire besaßen eine sehr enge Beziehung miteinander. Schließlich waren zwei Mitglieder des Königshauses wahrscheinlich stets extrem eng miteinander verwandt, was ihre familiären Bindungen stärkte.
Die Anzeichen, welche die Reinheit der Blutlinie der königlichen Familie der Vampire kennzeichneten, waren Ji Bai gründlich in Erinnerung gebrannt worden. Mit einem einzigen Blick konnte er so erkennen, wie nah oder fern ein Vampir der direkten Abstammungslinie gegenüber stand.
Es war offensichtlich, dass Anna zur ersten Kategorie gehörte; Anders ausgedrückt, war es sehr wahrscheinlich, dass sie und diese Schlampe – beziehungsweise die aktuelle Vampir-Königin – entweder Cousinen oder sogar noch enger verwandt waren.
Ji Bai runzelte die Brauen. „Ist es nicht so, dass derartiges Interesse an der Privatsphäre eines anderen schlechte Erinnerungen in diesem wecken kann?“
„…Es tut mir leid, es ist wirklich ein wenig unhöflich… Ich denke, ich bin dann mal mit meinen Fragen durch, Ji Bai… Oh, wo ich schon dabei bin, bitte komme gut mit Lin zurecht~ Sie ist eigentlich ziemlich goldig, aber leider kann sie ihre Gefühle nicht gut ausdrücken und ist etwas wortkarg!“
In diesem Augenblick löste sich die Türklinke wieder aus ihrer Erstarrung.
Auch löste sich jegliche Anspannung von Annas Gesicht. „Schön, ich werde dann mal mein Spiel wieder starten!“ Sie hatte allem Anschein nach ihre Lebenskraft zurückerlangt und hüpfte an Ji Bai vorbei.
„Ah, richtig! Danke für deine Hilfe vorhin. Ich bin dir wirklich dankbar~ Lass uns doch an einem anderen Tag mal einige Taktiken austauschen~“ Sie klopfte noch kurz auf Ji Bais Schulter und begann, die Treppe herab zu steigen.
„Ihr geht es gut.“, sagte Ji Bai unvermittelt. „Zumindest kann sie niemand belästigen oder ihr überlegen sein. Andererseits tyrannisiert sie andere häufig…“ Sein Tonfall trug fast verborgene Spuren unangenehmer Gefühle zu Annas Ohren.
„Ich verstehe…“ Anna blieb auf den Stufen stehen. „Wie hast du sie kennengelernt?“
„Auf sehr unangenehme Weise.“
„Hat sie dich gehörig verprügelt?“
„Ha! Schwachsinn! Wie kann man das Verprügeln nennen… Weißt du was? Ich habe sie einmal sogar getreten und sie hat sich nicht gerächt! Das kannst du dir nicht ausmalen, oder?“
‚Lach mich bloß nicht aus! Ich gebe wirklich nicht an! Als sie mich wie ihr Kissen behandelt uns beim Schlafen umklammert hat, habe ich so getan, als ob ich im Schlaf reden würde und sie zwei Mal getreten! Sie hat sich nicht nur nicht gerächt, sie hat mich sogar noch zärtlicher gehalten! Manchmal macht mir meine eigene Intelligenz Angst!‘, dachte Ji Bai voller Selbstzufriedenheit.
„Ist dem so?“, fragte Anna, als sie sich etwas verblüfft zu ihm umdrehte.
„Natürlich! Denkst du etwa, dass ich über sowas lügen würde?“, warf ihr Ji Bai in einem selbstsicheren Tonfall zurück.
„Haha, ich glaube dir fürs erste, ist wohl besser so. Also schön, Ji Bai, vielen Dank für diese Information~“
„Und wo wir schon dabei sind, du kennst sie anscheinend sehr gut, nicht wahr?“
„Sie gut kennen!? Ich möchte sie nicht einmal kennen!“
Anna schwieg nur und gab ihm ein undurchschaubares Lächeln.
‚Auch wenn er so feindselig reagiert und alles abstreitet… In Wahrheit hat sie einen Platz in den Tiefen seines Herzens gefunden. Es ist wirklich ein Wunder, dass eine so konservative, hochmütige Vampirin wie sie sich emotional an einen Menschen binden kann… Seine Einstellung ihr gegenüber erinnert mich dabei an Lin…‘
Wenn Ji Bai gewusst hätte, was Anna dachte, wäre er wahrscheinlich voller Wut an Ort und Stelle gestorben.
„Nach so langer Zeit hat sie wahrscheinlich schon eigene Kinder…“, murmelte Anna leise in Gedanken. „Hah, wie die Zeit doch vergeht.“, seufzte sie, nahm ein Paar Haarklammern aus ihrer Tasche und band ihre Haare zu zwei Zwillingszöpfen.
„…!? Hey, diese Haarklammern…“
‚Ah, du warst es also an dem Tag? Kein Wunder, dass mir deine Stimme bekannt vorkam…1“
„Hmm? Gibt es ein Problem?“, fragte Anna, als sie sich mit geneigtem Kopf zu ihm umdrehte.
„Ähm…“ Ji Bais Mundwinkel zuckten unerlässlich, als er die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, unterdrückte. „Nein!“ Der Konflikt seiner Gefühle ließ sein Gesicht rot anlaufen.
„Sehen diese beiden Haarklammern etwa seltsam aus?“, fragte Anna verwirrt, als sie sah, wie Ji Bai unablässig die Accessoires in ihren Haaren anstarrte.
„…Nein.“ Ji Bai wandte seinen Kopf zur Seite. „Mir kommt es nur so vor, dass dir diese Haarklammern nicht besonders gut passen.“
„Mhm, das denke ich auch.“, meinte Anna überzeugt, nachdem sie kurz geschwiegen hatte.
„Nicht wahr! …Äh, was ich meine ist, dass, da du sie ja anscheinend auch nicht besonders magst, sie nicht tragen solltest! Du kannst sie mir geben, damit ich sie für dich entsorge…“
„Hä? Sie entsorgen? Warum?“
„Also, wenn sie dir nicht passen, wenn du sie trägst, was sonst tun? Ahh, lass mich raten, du hast die beiden nicht selbst gekauft, richtig?“ Ji Bai versuchte, sie mit Geduld und System zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
Anna kniff die Augen zusammen. „Woher weißt du das?“
„Ich habe geraten. Und diese Haarklammern passen doch sowieso nicht zu einer erwachsenen und würdevollen Dame, wie du es bist. Ich kann dir gerne ein anderes Paar kaufen, wenn du möchtest. Wie wäre es damit: Du gibst mir diese und ich werfe sie für dich weg?“
„Erlaube es mir, abzulehnen. Diese Haarklammern sind mir sehr wichtig. Schließlich hat jemand wichtiges mir sie gegeben, also kann ich sie nicht wegwerfen. Bitte vergebe mir das.“, sagte Anna mit mehr oder weniger ernster Stimme.
‚Wieso übertreibst du einfach so deine Beziehungen mit anderen? Ich habe noch nie jemanden so schamloses gesehen! Du hast den Besitz von jemand anderem gestohlen und möchtest es nun dem Besitzer nicht zurückgeben… Möchtest du dich wirklich offen als Dieb zeigen?‘
Aber obwohl die Situation so aussah, was konnte er nur tun? Auch wenn er sehr verzweifelt war, konnte er nur die Zähne zusammenbeißen und es schweigend ertragen.
‚…Irgendwas stimmt nicht… Wieso sind mir diese dummen Haarklammern so wichtig??‘
Ji Bai kniff angesichts dieses Konfliktes in seinem Gehirn die Augen zusammen.
So oder so konnte er sich nicht dazu überwinden, Vampire nicht zu hassen. Zudem sah die Vampirin vor ihm dieser einen Schlampe ähnlich; Auch wenn jemand mit einer Beziehung zu ihr nicht doppelzüngig oder böswillig war, waren diese Person definitiv niemand Wohlwollendes. Wenn es möglich war, wollte er so jemanden so gut wie es ging aus dem Weg gehen.
„Dann ist es halt so. Wenn es nichts Weiteres gibt, gehe ich dann jetzt.“, sagte Ji Bai abrupt und stieg – nachdem er einen letzten Blick auf die Haarklammern warf – die Treppe herab.
„Und dieses Haus ist das perfekte Nest für Kakerlaken. Du solltest, wenn du mal die Zeit dazu hast, besser aufräumen.“
„Das ist aber anstrengend… Möchtest du mir etwa helfen?“
Doch Ji Bai hatte bereits seine Schuhe angezogen. „Tagträume helfen dir auch nicht.“ Der Himmel war schon dabei, dunkel zu werden, somit war es Zeit für ihn, nach Hause zurückzukehren und sich zu entspannen. Über die letzten Tage hatte er wegen des Gerichtsprozesses eine große Menge an Müdigkeit angesammelt.
„Pfft~ Kein Mädchen würde je jemanden so kleinliches mögen… Ah, bitte erinnere dich daran, mit meiner kleinen Lin zurechtzukommen, in Ordnung~?“
Doch vernahm sie statt einer Antwort Ji Bais nur, wie sich die Haustür mit einem Windstoß schloss. Ein leichtes Lächeln legte sich über Annas Lippen.
„Ein Mann, der nicht den Mumm hat, mit einem Mädchen zu flirten… Nun gut, so ein Dummkopf wird mir wohl auch nicht meine kleine Lin wegschnappen. Also kann ich mich wieder in Ruhe entspannen und weiterspielen~“