Kapitel 87 – Freilassung
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Kapitel 87 – Freilassung
„Du…“ Ein Funken der Verwunderung blitzte in Gorms verächtlichem Blick auf, während JI Bais Hand immer noch seine Klinge festhielt.
„Es ist schon ziemlich unverschämt, vor Gericht dein Schwert zu ziehen, denkst du nicht auch?“
„Mist…“ Gorm ließ sein Schwert los und zückte einen Dolch, der an seiner Hüfte verborgen war.
In einem schnellen, furchterregenden Blitz einer Klinge wurde ihm der Dolch aus der Hand geschlagen. Eine schneeweiße Klinge hing eine Haaresbreite von Gorms Nacken entfernt.
„Wa-…“
‚Dieser verrückte Clown ist also doch niemand gewöhnliches.‘, dachte der Begleiter von Ji Yue mit Ziegenbart und bedachte Ji Bai mit einem bedeutungsvollen Blick.
„Gorm, sei doch nicht unhöflich! Lass das!“, scholte Lan Yu seinen Untergebenen.
„…Verstanden.“, salutierte Gorm mit einem düsteren Gesichtsausdruck, bevor er dessen Seite zurückkehrte.
Ji Bai blickte zu Lan Yu, welcher einen betont wütenden Gesichtsausdruck zur Schau stellte und verspürte den Drang, angewidert auf den Boden zu spucken.
Wenn der Komtur wirklich seinen Untergebenen stoppen wollte, hätte er das dann nicht schon längst getan? Ein einfacher Handlager konnte schließlich nicht alleine den Mut aufbringen, vor Gericht jemanden zum Schweigen bringen zu wollen; Nicht, ohne dass es ihm schon vorher befohlen worden war.
Gorm, der nun wieder neben seinem Vorgesetzten stand, warf Ji Bai, der sich immer noch in der Arena befand, einen ängstlichen Blick zu.
Die Augen, die durch das Visier von Ji Bais Helm blitzten, erinnerten an ein Schwert, welches drohte, seinen Körper zu durchbohren.
‚Wieso ist sein Blick so schrecklich? Ist er ein Monster, das in eine Plattenrüstung gehüllt wurde??‘
Für einen Moment legte sich ein seltsames Schweigen über die Zuschauer.
„Geehrter Herr Yu, was ist die Strafe dafür, einen Gerichtsprozess der Tempelvereinigung zu unterbrechen und zu versuchen, die Entscheidung der Richter zu beeinflussen?“, unterbrach Ji Yue ihr anhaltendes Schweigen. Ihre angenehme Stimme ergoss sich wie ein reinigender Fluss über die Szenerie.
„Dieses Verbrechen wird mit derselben Strafe bedacht, als ob man eine Waffe in Angesicht eines Bischofs zieht. Ene sofortige Hinrichtung.“, antwortete ihr ihr Begleiter mit Ziegenbart.
„Dann führe die Hinrichtung aus.“, bat Ji Yue ihn, während sie ohne jede Eile eine Seite in ihrem Büchlein umblätterte.
„Verstanden.“, nickte ihr Begleiter.
Die Beamten aus Grenzstadt fühlten ihre Herzen ängstlich zittern.
Gorm selbst konnte nichts anderes fühlen als Schock. Sobald er vernommen hatte, dass sein Leben in Gefahr war, griff er unterbewusst nach seiner Waffe.
Doch hatte er jegliche Möglichkeit, sich zu verteidigen, verloren, als Ji Bai ihm sein Schwert abgenommen hatte.
Während alle Anwesenden in eine Trance fielen, schnellte ein weißer Blitz, schneller als das Menschliche Auge es sehen konnte, voran. Begleitet von einem roten Spritzer fiel ein Objekt von der Größe einer Wassermelone zu Boden.
Frisches Blut und helle Rückenmarksflüssigkeit spritzten auf Lan Yus Tisch – Gorms Nacken war zu einem blutroten Springbrunnen geworden. Nach einigem Schwanken fiel der kopflose Körper zu Boden.
Der Ritter mit Ziegenbart stand schon wieder respektvoll neben Ji Yue. Niemand hatte seine Handlungen deutlich sehen können und niemand konnte sagen, wann er an die Seite seiner Meisterin zurückgekehrt war. Nur das Blut tropfende Schwert in seiner Hand bezeugte, dass er es gewesen war, der Gorm hingerichtet hatte.
Jemand vom Rang eines Tempelritters war nicht in der Lage gewesen, rechtzeitig zu reagieren, bevor sein Kopf abgetrennt worden war; Er hatte vielmehr sogar nicht einmal den Hauch einer Chance gehabt.
Einige Tropfen der Körperflüssigkeiten der Leiche waren auf die Gesichter der Beamten von Grenzstadt gespritzt und hatten deren schneeweiße Tischdecke tiefrot gefärbt.
Sie alle trugen aschfahle Gesichter zur Schau und ihre Körper zitterten wie Espenlaub. Selbst ihre Atmung war lautlos geworden vor der Angst, dass auch nur die kleinste Menge an Unvorsichtigkeit dafür sorgen könnte, dass sie Gorms Schicksal teilen würden.
Der äußere Schein trügte; Ji Yues reines Erscheinungsbild, jugendlich wie eine Oberstufen-Schülerin, hatte sie glauben lassen, dass sie nur ein unschuldiges, junges Mädchen wäre, welches keine Ahnung von der Welt hatte.
Daher hatte, was direkt vor ihren Augen geschah, ihr Weltbild zerschmettert. Und während des blutfordernden Tat hatte Ji Yue nicht einmal den Hauch einer Regung gezeigt und nur weiter durch ihr Büchlein geblättert.
Dazu in der Lage zu sein, wie nebensächlich eine Hinrichtung zu befehlen und zugleich einen regungslosen Gesichtsausdruck zu tragen ließ sie befürchten, dass unter Ji Yues reiner Haut ein Teufel versteckt lag, welcher nicht einmal blinzeln würde, wenn sie jemanden tötete.
Sie war nicht mehr das ängstliche Mädchen von früher, welche sich hinter ihrem großen Bruder versteckt hatte; Die Geschwindigkeit ihres Wachstums hatte Ji Bais Vorstellungen bei weitem übertroffen.
Egal, was geschah, war niemand mehr in der Lage, sie zu schikanieren.
Dies ließ ihn im Schatten seines Helmes lächeln. Doch war es ein Lächeln der Zufriedenheit oder des Kummers?
Auf jeden Fall saßen die Beamten von Grenzstadt wie auf heißen Kohlen und zitterten; Ihre Missgunst war längst zu nichts als Schall und Rauch geworden.
„…Junges Fräulein Ji? Ist das nicht ein wenig zu streng gewesen? Schließlich war er immer noch mein direkter Untergebener…“, brachte Lan Yu mit düsterem Gesichtsausdruck vor, während er zusah, wie sein Tisch in komplettes Chaos verfiel.
Ji Yue steckte ihr Büchlein weg, legte ihren Kopf schief und stütze sich träge gegen die Lehne ihres Stuhls.
„Sie möchten, dass ich Ihnen Respekt erweise?“
„Sie ist die junge Erbin des Hauptzweigs des Feuer-Lanzen-Clans! Selbst der aktuelle Hohepriester tritt ihr gegenüber respektvoll auf, wenn sie sich begegnen.“, mischte sich der Ritter mit Ziegenbart ein, während er sein Schwert wieder einsteckte. „Es tut mir leid, mein Lieber Komtur, aber Eure Position reicht dafür nicht aus.“
„…Ich entschuldige mich vielmals, das war nicht, was ich meinte.“ Egal, wie gedemütigt und ärgerlich er sich tief in seinem Inneren fühlte, konnte Lan Yu trotzdem nur seine Zähne zusammenbeißen und es erdulden.
‚Erbärmliche Frau… Warte nur! Du wirst dich nicht mehr lange freuen können. Eines Tages wirst du mir das Bett wärmen und um Gnade betteln!‘
„Sie alle sind einflussreiche Offizielle dieser Stadt, welche sich hier versammelt haben. Jedoch möchte ich darum bitten, dass Sie sich den Regeln dieses Gerichtes fügen und ihm Respekt erweisen.“ Ji Yue stützte ihren Kopf auf ihre Hände und ließ ihren Blick über die aschfahlen Beamten schweifen.
Ihre Stimme war nicht laut – sie schien gar Spuren von Schwäche und Faulheit in sich zu tragen – und doch vermochte sie, allen anwesenden die Sprache zu verschlagen.
„Auch wenn es ein zufriedenstellendes Argument war, so reicht es doch nicht, um sie unschuldig zu erklären.“, fuhr sie, ihrem Blick auf Ji Bai gerichtet, fort.
„Braucht ihre noch weitere Zeugen? Also schon, ich war an dem Tag des Angriffes vor Ort. Ich hoffe, dass meine bescheidenen Worte als Beweis ausreichen.“
„…“ Nachdem sie ihre Augen für einige Sekunden auf Ji Bais gerichtet hatte, stand Ji Yue auf.
„Dieser Prozess wird hiermit enden. Die Gefangenen werden temporär entlassen und unter Beobachtung gestellt.“
Landi und die Ritter der Mauerwache fielen in eine Trance.
Sie hatten erwartet, diesen Prozess nicht mehr lebendig verlassen zu können und waren damit ins Reine gekommen, dass ihre Köpfe wohl rollen mussten. Nie im Leben hatten sie erwartet, tatsächlich überleben zu können!
„Was starrt ihr Löcher in die Luft? Los, bedankt euch für das Urteil.“, sagte Ji Bai während er Landis Kopf tätschelte.
„Ah! Vielen Dank-, vielen Dank, Eure Exzellenz! …Und auch Euch vielen Dank, Sir.“, beeilte sich Landi, seine Dankbarkeit sowohl Ji Yue als auch Ji Bai untertänigst zu erweisen.
„Mir musst du nicht danken. Bleib einfach weiter ein tüchtiger Ritter; Damit wirst du mir besser Danken als du auf andere Weise könntest.“
„Verstanden!“
Schlussendlich hatte dieser Gerichtsprozess zu einem Ergebnis geführt, welches die Masse an Zuschauern niemals erwartet hätte.
Lan Yus Gesicht hatte sich von Anfang bis Ende immer weiter verdüstert. Nicht nur war der Prozess in eine andere Richtung abgedriftet, als die, die er mir Selbstvertrauen erwartet hatte, er hatte zudem auch einen wertvollen Verbündeten verloren. Genau deshalb war es nur natürlich, dass sein Gesichtsausdruck angesichts einer Reihe derartiger Niederlagen nicht ruhig bleiben konnte.
Jedoch war dies nicht einmal das Schlimmste. Falls die Ritter der Mauerwache schlussendlich unschuldig erklärt werden würden, würde die Öffentlichkeit ziemlich schnell verdächtig werden und sich darüber wundern, wer wohl der Saboteur im Geheimen gewesen war. Schon bald würde es ihm nicht mehr möglich sein, die Wahrheit zu verbergen.
‚In dem Fall kann ich nur das eine unkluge tun… Ich habe ich immer noch eine großartige Zukunft vor mir; Ich kann mich nicht in diesem kleinen Kaff festsetzen lassen!‘