Kapitel 86 – Du wagst es, vor mir dein Schwert zu ziehen?
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Kapitel 86 – Du wagst es, vor mir dein Schwert zu ziehen?
„Hä?“, fragte ihn Ji Bai im Gegenzug. „Wir reden doch über das Ergebnis dieses Prozesses, also wieso möchtest du nun über mein Gesicht reden?? …Aber da du schon darüber redest, wie ein Ritter zu sein hat… Denkst du denn, als Ritter qualifiziert zu sein?“
„Natürlich! Ist das nicht offensichtlich?“
„Nun gut. Wenn dem so ist, lass mich dich testen. Was sagt Paragraph dreihundertvierundsechzig der Vorschriften des Ritterschwurs?“
„Ich-…“ Der Ansager blickte ihn verblüfft an. „E-Ein Ritter… Ähm, ich denke, es dürfte das hier sein… Ähh…“
„‚Ich denke‘, ‚Es dürfte sein‘? Oh, spart mir das bitte und habe doch mehr Vertrauen in deine Antwort!“, bat Ji Bai ihn nachdenklich.
„Ich…“
„Du kannst die Vorschriften also nicht aus dem Gedächtnis aufsagen, habe ich Recht? Also schön, dann werde ich jemand anderes fragen.“, warf Ji Bai ihm vor, während er von der Tribüne in die Arena niederstieg und sich an Landis Seite stellte.
„Angeklagter, kannst du es aufsagen?“
„Eure Exzellenz, Richter dieses Tribunals. Ich bin bereit, dem einen Versuch zu widmen.“, sprach Landi ernst, während er den Blick seines Gegenübers ruhig erwiderte.
„Schön, also fang an.“, bat Ji Bai ihn, bevor er sich abwandte.
Landi atmete tief durch und begann, laut zu sprechen: „Vorschriften des Ritterschwurs, Paragraph 364: Ein Ritter, der ohne offiziellen Durchsuchungsbefehl in das Grundstück eines Zivilisten eindringt, wird wie ein Zivilist behandelt und verurteilt. Mutwillige Beschädigung des Eigentums eines Zivilisten und Handlungen wie Erpressung, Einschüchterung, Drohungen oder Nötigung werden schwer, ohne Ausnahme oder Gnade, bestraft.“
Der Gesichtsausdruck des Ansagers wurde unansehnlich. Lan Yu hingegen kniff nur seine Augen zusammen und warf Ji Bais Rücken einen stechenden Blick zu.
„Darf ich darum bitten, dass Ihr mir mitteilt, ob ich irgendwas übersehen habe?“, fragte Landi mit demütig gesenktem Kopf.
Ji Bai wandte sich wieder ihm zu. „Du hast nichts übersehen und alles – Wort für Wort – richtig aufgesagt.“
Als er sich zum Ansager umdrehte und diesen ansah, schlich sich die Spur von Spott in seine Stimme: „Anscheinend besitzt ein wahrhaftiger Ritter wie du es bist, nicht so viel Kompetenz wie dieser ‚Ketzer‘. Warum wirst du nicht zu einem Anwalt? So, wie ich das sehe, bist du doch ziemlich geschickt darin, deine Zunge zu gebrauchen, um Richtig und Falsch zu verdrehen.“
„Du…!“, stieß der Ansager wutentbrannt Ji Bai entgegen. Ihm war bewusst, wie viele Zuschauer dem Prozess beinwohnten, und, wie hoch der Rang der Gesandten des Präsidiums war. Es war ihm klar, dass dieser Schwachkopf ihn öffentlich bloßstellen wollte…
„Eure Exzellenz, Ihr habt vorhin darum gebeten, Beweise vorzulegen. Aber, was ist mit Euch? Reicht das einfache Aussage einer Passage des Ritterschwurs, um zu zeigen, dass jemand unschuldig ist? Der Ritterschwur ist keine Freikarte, um dem Tod zu entkommen. Es gibt sicherlich mehr als nur einige Ritter, die gegen ihn verstoßen haben, obwohl sie ihn kannten.“, sprach Lan Yu mit eiskalter Stimme.
„Richtig. Es gibt zahlreiche Ritter, die gegen das Recht verstoßen haben, obwohl sie es kennen. Seht Euch doch zum Beispiel einfach selbst an, Komtur Lan Yu. Die Absichten, die Ihr hegt, sind wirklich unergründlich.“, entgegnete Ji Bai ihm spöttisch und mit gekreuzten Armen.
„Haha…“ Lan Yu antwortete mit einem unzufriedenen Lächeln. „Wenn Ihr heute keine Beweise vorbringen könnt, werdet Ihr dieses Gericht heute nicht verlassen… Ich würde zudem auch gerne mal wissen, wie Ihr ausseht.“ Seine letzten paar Worte hatte er durch zusammengebissene Zähne vorgebracht.
„Komtur, Lan, möchtet Ihr mich etwa in aller Öffentlichkeit bedrohen? Aber da Ihr das Thema schon angesprochen habt, würde ich Euch gerne eine Sache fragen: Welche Beweise habt ihr denn genutzt, um diese Mauerwachen gefangen zu nehmen?“
„Beweise? Ihr scherzt wohl! Einige tausend Ritter haben es mit eigenen Augen gesehen; Wie könnte das nicht als Beweis gelten? Auch ich selbst war an dem Tag persönlich anwesend.“, sprach der Ansager mit Hohn im Gesicht.
„Genau das meine ich! Du meinst also, dass mehrere tausend Ritter es bezeugt haben, nicht wahr? Dann möchte ich dich gerne fragen, wie die Trolle abgewehrt wurden?“
„Natürlich waren wir, die Strahlenden Ritter, diejenigen, die die Belagerung aufgehoben haben! Wie haben nur über Umwege von dem Angriff erfahren, sind gerade noch rechtzeitig dort hingeeilt und haben an Ort und Stelle diese Verräter gefangen genommen.“
„Oh?“ Ji Bai warf dem Ansager einen gedankenvollen Blick zu, bevor er seine Augen auf Lan Yu richtete. „Also habt ihr die Trolle vernichtet?“
„Denkt Ihr das auch, geehrter Komtur?“
Lan Yu runzelte die Brauen. Obwohl er keinen Plan hatte, welches Ass Ji Bai ihm Ärmel trug, war dies die offizielle Geschichte, die der Öffentlichkeit präsentiert worden war. Ihr zu widersprechen, wäre, wie sich selbst ins Gesicht zu schlagen.
„Ja.“
„Gut, wenn dem so ist…“ Ji Bai ging zum Fuß der auf die Tribüne führenden Treppe. Als er diese hochstieg, kam sein Blick mit Ji Yues Augen in Kontakt.
„Gehe ich Recht, Junges Fräulein Ji Yue, dass Ihr die alleinige Erbin des Feuer-Lanzen-Clans seid?“
Kaum hatte er seine Frage gestellt, fühlten die Beamten an Lan Yus Tisch, wie ihre Herzen abrupt stockten.
Der Feuer-Lanzen-Clan war einer der zwölf Bischof-Clans der Tempel-Vereinigung. Ihre heiligen Fähigkeiten, welche sie in ihrer Blutlinie weitervererbten, waren von allerhöchster Macht. Ihr Status war unvergleichbar mit dem von Mitgliedern einer einfachen Niederlassung einer entlegenen Stadt.
Ji Yue nickte leicht.
„Ich habe schon viel von Euch gehört. Ihr seid dem Tempel im Alter von zwölf Jahren beigetreten und wart zwei Jahre später schon in der Lage, in eurem ersten Kampf drei Gegner zu bezwingen. Obwohl Ihr gegen drei Kappas gekämpft habt, wart ihr nicht im Nachteil. Liege ich richtig?“
Erneut bestätigte sie dies mit einem Nicken.
„Da Ihr schon so lange auf Schlachtfeldern wart, müsst Ihr doch sicher Erkenntnisse über Dämonen angesammelt haben. Somit bitte ich Euch, über die Antwort auf die folgende Frage zu richten…“
Lan Yu beschlich eine unbehagliche Vorahnung. Eigentlich standen alle Variablen zu seinen Gunsten – Und doch war solch ein unbekannter Faktor aufgetreten.
Er wollte unbedingt wissen, was Ji Bai als nächstes gesagt hatte. Doch war dessen Stimme zu leise gewesen, als dass er sie klar verstehen konnte.
„Mein lieber Herr?“
„W-Was möchten Sie?“, erwiderte der Ansager vorsichtig. Da die Lücken seiner Argumente entblößt worden waren, war er wachsam geworden und wagte es nicht, freiheraus zu sprechen.
„Du hast doch erwähnt, dass du die Ritter an jenem Tag angeführt hast, liege ich richtig? Wenn dem so ist, wieso beschreibst du uns nicht den Kampf gegen die Trolle – Im kleinsten Detail.“ Ji Bai lächelte bösartig.
„Hah.“, seufzte sein Gegenüber. „Wenn es nichts weiteres ist…“ Er hatte tatsächlich an jedem Tag die Ritter angeführt. Zumindest dieser Teil war keine Lüge gewesen.
„Also, die Körpergröße eines ausgewachsenen Trolls erreicht Werte von über zweieinhalb Metern und ihre Haut ist zumeist bronzefarben-…“
„Nein, nein!“ Ji Bai schüttelte den Kopf. „Ich möchte nicht generische Wörter aus Textbüchern hören.“
„Ich möchte, dass du mir genau beschreibst, wie der Kampf an dem Tag verlaufen ist, wie hoch die Verluste waren, wie viele Gegner getötet wurden, und, wie lange es dazu gebraucht hat. Bitte, sag mir bloß nicht, dass du das nicht weißt; Nach einer Schlacht über die Verluste und den entstandenen Schaden zu schreiben ist Notwendigkeit und Pflicht.“
„…Natürlich erinnere ich mich! Die Trolle waren wahrlich gefährlich! Wäre ich nicht vorsichtig vorgegangen, wäre ich fast gestorben! Hören Sie, gestorben!“ Wer auch nur einen Hauch an Wissen über Dämonen besaß, wusste, dass sie alle stärker als Menschen waren. Jedoch war sich der Ansager nicht sicher, wie groß der Unterschied wirklich war. Schließlich waren nur einige verstreute Überreste der Gegner übrig gewesen, als er eingetroffen war. Und diese waren daher mit Leichtigkeit vernichtet worden.
„Wie gefährlich jetzt im Genauen?“ Ji Bai hob seine Brauen. „Wie viele starben, um einen der Ihren zu töten?“
Unter Ji Bais weiterem Verhör war der Ansager gezwungen, ihm eine Antwort zu geben: „…Nach meinem besten Wissen, ist ein Troll in der Lage, fünf, nein, sogar zehn Ritter zu bezwingen.“ Ihm kam seine Aussage recht glaubwürdig vor.
„Okay, das ist also deine Antwort, oder?“, nickte Ji Bai, bevor er seinen Blick auf einen der Ritter der Mauerwache richtete, dessen Gesicht vor Wut rot angelaufen war.
„Du scheinst etwas sagen zu wollen, also fang doch an. Du hast meine Erlaubnis.“, forderte Ji Bai ihn auf.
„…So ist es überhaupt nicht gelaufen! Was, ‚Ein Troll kann zehn Ritter besiegen‘?? Sie waren auf einem ganz anderen Level!“, brüllte der Gefangene.
„Wir durften nicht einmal drei Trolle auf die Mauer lassen, sonst wäre ein Blutbad geschehen! Unsere Waffen waren praktisch gar nicht in der Lage, sie überhaupt zu verletzten, während sie mit einem Schlag ihrer Hämmer zahlreiche unserer Kameraden zermalmten! Und doch haben meine Kameraden und unser Meister ihnen unnachgiebig im Weg gestanden! Wir allen haben stets daran geglaubt, dass der Orden uns und die Stadttore niemals im Stich lassen würde! Schließlich beschützten wir alle Zivilisten, die in der Stadt leben!“ Langsam, je länger er sprach, mischten sich immer mehr Spuren an Trauer und Schluchzen in seine Stimme.
„Wie unverfroren von dir, Verräter!“, rief Gorm, als er wutschäumend in die Arena sprang. „Wie kannst du es wagen, die Leute mit Lügen täuschen zu wollen?! Ich werde dich schon deinem gerechten Schicksal zuführen!“
Doch ein in Stahl gehüllter Arm hielt Gorms Schwert gezücktes Schwert fest.
„Du wagst es, vor mir dein Schwert zu ziehen?“, ertönte Ji Bais eiskalte Stimme.