Kapitel 23 – Das kleine Mädchen, das Süßigkeiten verkauft
Previous Chapter|Index|Next Chapter
Kapitel 23 – Das kleine Mädchen, das Süßigkeiten verkauft
Ein Schwarm von kleinen, schwarzen Fledermäusen flog über den pech-schwarzen Himmel. Da die Straßenlaternen nicht leuchteten, war es dem Mond überlassen, für Licht in der Dunkelheit zu sorgen. Somit sahen kein Mensch und keine Überwachungskamera die Fledermäuse. Aber selbst wenn, würde niemand sich besondere Sorgen machen…
……..
Eine öffentliche Toilette am Stadtrand von Tintenstedt:
Nachdem er fast eine halbe Stunde a diesem Ort herumgelungert hatte, blickte Ji Bai mit gerunzelten Brauen auf den grellen Bildschirm seines Handys. Als er sah, dass die Uhrzeit von 05:59 Uhr auf 06:00 Uhr gewechselt hatte, löste sich seine Anspannung. Er seufzte. „Es wird Zeit.“
Eigentlich würde niemand freiwillig mehr als 5 Minuten in einer öffentlichen Toilette verbringen. Doch hatte er keine andere Wahl gehabt, da er tatsächlich bereits 5 Minuten nach seinem Telefonat mit Lin Tuo im Gefallenen Ursprung, einem von Tintenstedts Stadtteilen, angekommen war – in dieser Toilette.
Diese 30 Minuten waren wahrscheinlich die peinlichste Zeit in seinem Leben gewesen. Es wäre höchst verdächtig, wenn er schon so früh wieder Lin Tuo angerufen hätte. Und noch wichtiger wäre, dass dann wohl seine Reiseentschädigungen von der Brillenschlage gestrichen worden wäre. Wenn so etwas geschehen wäre, wäre Ji Bai auf der Stelle tot umgefallen!
Aus diesen Gründen blieb ihm nichts anderes übrig, als einige Zeit lang zu warten. Doch hatte er eigentlich keine Absicht, die Wartezeit zu verschwenden. Sein Geiz umfasste nicht nur Geld, sondern erstreckte sich auch auf seine Zeit.
Vielleicht hätte er etwas sinnvolles unternehmen können. Zum Beispiel auf dem Boden kriechend die Straßen nach fallen gelassenem Geld zu durchsuchen. Vielleicht hätte er die Zeit also in bares Geld verwandeln können!
‚Es ist nicht nötig, mich für mein erstaunliches Krisenbewusstsein zu loben. Jeder von extremer Armut betroffene würde dasselbe tun!‘
Jedoch hatte sich Ji Bai dann doch dagegen entschieden, diesen Plan auszuführen. Denn er hatte es schließlich mit großen Mühen geschafft, eine kostenlose Toilette zu betreten. Es wäre eine Verschwendung, sie sofort zu verlassen.
‚Ich verlasse diesen Ort erst, wenn meine Beine taub geworden sind!‘
……..
Der heutige Tag war ein Tag wie jeder andere im Leben im bereits über 70 Jahre langen des alten Zhang. Er seine Lunch Box und die Wasserflasche, die ihm seine Frau mitgegeben hatte, ebenso wie die Zeitung, die er gekauft hatte, mit sich und erreichte pünktlich seinen Arbeitsplatz. Mit einem Blick auf seine Uhr sah er, dass deren Zeiger 6 Uhr anzeigten. Ein leichtes Lächeln bildete sich in den Falten seines Gesichtes.
Trotz dessen, dass es seinem Lohn nicht wirklich schaden würde, wenn er etwas zu spät wäre, war er stets pünktlich – weder eine Minute zu früh noch eine zu spät. Sein Job war einer ohne große Verpflichtungen und wurde unterdurchschnittlich bezahlt. Doch war dies dem alten Mann egal. Er war schon vor Jahren in Rente gegangen und konnte ohne Sorgen von dieser und seinen Rücklagen leben. Seinen aktuellen Job hatte er nur angenommen, um sich selbst zu beschäftigen.
Wie jedes Mal setzte er sich gemütlich in den Pavillon neben einer öffentlichen Toilette, öffnete seine Lunch Box und begann, in Ruhe seine Zeitung zu lesen.
Gleichzeitig verließ eine Person die Toilette und lief an Zhang vorbei.
‚Hmm? Außer alten Säcken wie mir ist tatsächlich jemand junges so früh unterwegs?‘
Der alte Mann nahm dies gelassen hin und blickte wieder zurück zu seiner Zeitung. Doch plötzlich riss er überrascht die Augen auf. Irgendwas war falsch.
‚Wa-Was… Warum ist dieser Junge aus der Frauentoilette gekommen??‘
……..
„Hey, gebildet-… Ähm, Lin Tuo. Ich bin nun in Tintenstedt. Wo ist die Kontaktperson, von der du gesprochen hast?“ Ji Bai hatte sich fast um Kopf und Kragen geredet. Als er schon dabei war, eine Beleidigung auszusprechen, war ihm wieder eingefallen, dass Lin Tuo derjenige war, der ihn bezahlen würde. Wie das Sprichwort sagt: ‚Beiße nie die Hand, die dich füttert‘. Bevor er bezahlt worden war, würde er sein Bestes geben, seinen Wohltäter nicht zu verärgern.
Am anderen Ende der Leitung zuckte Lin Tuos Mund. „Hey! Du wolltest wieder ‚gebildeter Ganove‘ sagen, nicht wahr?!“ Dem folgte Erstaunen: „Du bist schon jetzt da? Ich dachte, dass du noch mindestens eine Stunde brauchen würdest.“
„Wirklich? Ich habe ein Taxi genommen. Ah, übrigens: Die Nummer auf dem Fahrpreismesser war erstaunlich hoch… Was ist also mit der Kostenerstattung?“
„Ok! In Ordnung! Warum redest du eigentlich nur über Geld! Du kannst mir sagen, was es gekostet hat, wenn du hier ankommst. Sag mir, wo genau du gerade bist.“ Lin Tuo klang unglücklich.
„Haaah… Ok, ok.“ Auf Ji Bais Gesicht erstrahlte ein Lächeln, sein Herz füllte sich mit Freude und Genugtuung.
……..
„Gehe zum Gebäude mit dem Schild ‚Sternenbeleuchtete Bücherstadt‘. Warte dann auf der Bushaltestelle davor. Ich werde unsere Kontaktperson sofort informieren…“, trug Lin Tuo Ji Bai auf, nachdem dieser seine aktuelle Position durchgegeben hatte.
Bevor Ji Bai fragen konnte, woran er die Kontaktperson von Passanten unterscheiden könnte, hatte sein Gesprächspartner bereits aufgelegt. Als er versuchte, zur Klärung noch einmal anzurufen, konnte er nur eine Computerstimme hören. [Ihr Gesprächspartner ist leider aktuell in einem Gespräch.]
„Ahhhh! Du gebildeter Ganove! Das ist doch sicher die Rache dafür, dass ich vorhin aufgelegt hatte, oder?“, rief Ji Bai und spuckte auf den Boden. Er steckte sein Handy wieder ein und lief los. Tatsächlich konnte er schon bald ein großes, leicht zerfallendes Gebäude mit einem großen horizontalen Schild erblicken.
Da es Winter war1 und der Himmel noch von Dunkelheit erfüllt war, warteten nur einige wenige auf der Bushaltestelle.
Trotz seiner Fitness hatte es Ji Bai ausgelaugt, lange Zeit in einer Toilette zu hocken. Daher setzte er sich auf die Bank der Haltestelle, um sich zu erholen.
Nachdem einige Zeit verstrichen war, hörte er eine ruhige, junge Stimme neben seinem Ohr fragen: „Ähm~ Möchten Sie eventuell einige Bonbons kaufen?“ Er öffnete seine Augen und sah sich um. Niemand war zu sehen.
„Ähh… Ein Geist? Hier? Im Winter?‘
„Ähm, ich-ich bin hier~“
Ji Bai war überrascht; Als er nach untern blickte, sah er ein kleines Mädchen. Ihr Kopf reichte gerade bis zu seinem Bauch. Ihr lockiges Haar war silbern, ihr Gesicht kindlich und zart, fast wie das einer Puppe. Ihre Haut war bleich, hinter ihren langen Wimpern versteckten sich violette Augen, die Edelsteinen glichen.
Diese Augen glänzten voller nicht vergossener Tränen feucht. Die Kleine verzog ihre rosigen Lippen. Ihre Stimme hatte Spuren von Nervosität und Angst mit sich getragen und ihre Kleidung bestand aus Lumpen, die nur grob geflickt worden waren… Sie war ein kleines Mädchen, deren Anblick in jedem, der sie erblickte, Gefühle von Zuneigung und Mitleid erwecken musste.
In diesem Winterwetter war was sie trug offensichtlich nicht genug, um sie vor der Kälte zu schützen; Ji Bai sah, dass ihre Wangen von der Winterluft errötet waren und ihre Beine zitterten.
„Mö-Möchten S-Sie einige B-Bonbons kaufen? ~S-Sie sind auch nicht t-teuer…“
Erst als sie wieder sprach, erwachte Ji Bai aus seiner Trance und nahm den Inhalt des löchrigen Korbes, den das Mädchen trug, wahr: Einige Süßigkeiten lagen in ihm.
‚Ihr Auftreten… Es ist sogar Winter… Ist sie etwa die neue Version des Streichholzmädchens?‘
Ji Bai wollte unbedingt ablehnen. Schließlich war er selbst schon so arm wie ein Bettler. Wo sollte er das Geld hernehmen, Süßes zu kaufen? Doch… Auch wenn ihm eine Ablehnung auf der Zunge lag, konnte er sie nicht aussprechen.
„K-Können S-Sie e-einige kaufen… I-Ist das möglich? M-Mama… Meine Mama b-braucht das Geld…“
Die Worte des Mädchens trafen die größte Schwachstelle Ji Bais Herzens. Urplötzlich musste er sich erinnern; Eine Erinnerung aus der Zeit, zu der er noch Ritter war.
Ritter konnten die Leute um sich herum nur beschützen, indem sie Kriminelle bekämpften. Doch, konnten sie nicht jede Ungerechtigkeit und jedes Unglück dieser Welt auf diese Art beseitigen. Also gab es nur noch eine Sache, die er tun konnte.
Ohne hinzusehen legte Ji Bai all sein Geld in den Korb des Mädchens.
„Das ist alles, was ich habe. Ich hoffe, dass es dir helfen wird.“
„S-So… Danke! V-Vielen Dank!~“, rief die Kleine voller Freude. Sie griff in ihren Korb, um einige Bonbons herauszuholen, doch Ji Bai stoppte sie.
„Einer reicht aus.“ Er blickte ihr in die Augen und lächelte.
„V-Vielen~… W-Wirklich vielen Dank…“
Ji Bai sah dem in Lumpen gehüllten Mädchen zu, wie sie, ihren Korb tragend, in der Ferne verschwand.
……..
Die Kleine blickte in ihren Korb. „Tch! Was für eine Enttäuschung! Nur so wenig?“ Ihr mitleiderregender Blick war einem Gesichtsausdruck der Verachtung gewichen.