ATAPOW Chapter 93(German)

Kapitel 93 – Ein Wunder


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Kapitel 93 – Ein Wunder

In einer kleinen Taverne in einer abgelegenen, wenig besuchten Gasse von Grenzstadt:

Das kleine Gebäude wirkte nicht nur von außen ziemlich unauffällig; Auch sein Inneres wirkte sehr gewöhnlich, gar mittelmäßig. Die Kunden im Inneren konnten an einer Hand abgezählt werden und waren fast alle vollständig betrunken.

Die kleine Glocke, die an der Eingangstür befestigt war, erklang, als ein charmanter junger Mann, der ordentliche zeremonielle Roben mit blauem Saum trug, durch die Tür trat.

Der Besitzer der Taverne, mit seinem Oberkörper auf der Bar gelegen und in dieser Pose geschlafen hatte, hob benommen seinen Kopf.

„Oh, Gordon, du bist wie immer pünktlich.“

„Mhm. Bitte das Übliche, ein Glas Bier.“, lächelte Gordon, als er sich an die Bar setzte.

„Wie läuft das Geschäft, Herr Zhao?“

„Hah, was sollte sich denn ändern? Ich vertreibe mir doch nur die Zeit. Meine alten Knochen können nichts mehr anderes erreichen, anders als es bei Jungen wie dir der Fall ist. Deine Zukunft ist noch hell und voller Hoffnung.“, antwortete der Besitzer der Taverne mit einem herzhaften Lachen. Nachdem er einige Gläser, die umgefallen waren, abgeräumt hatte, stellte er sich hinter die Bar.

Gordon nahm sich entspannt eine der Zeitungen, die neben der Bar hingen. Sie schien noch frisch zu sein.

Die in fetter, schwarzer Schrift gedruckten Schlagzeilen weckten seine Aufmerksamkeit.

‚Schockierende Nachrichten! Die Ritter der Mauerwache wurden ‚nicht schuldig‘ befunden! Ist die Wahrheit dahinter wirklich derartig schrecklich!?‘

Der Artikel unter diesen Worten bestand aus zahlreichen Zeilen dicht gepackter Schrift. Die eine Hälfte der Worte beschrieb den Gerichtsprozess als fair und unparteiisch, während die weiteren zwei Viertel zum einen die Entwicklungen analysierten, welche anschließend angestoßen worden waren, und zum anderen deren Umstände schilderten.

Gordon überflog den Artikel, bis er den Inhalt im Groben verstand. Im genaueren stand dort ein wenig darüber, was die Nachwirkungen waren, welche sich im Anschluss des Prozesses am vorherigen Tag zugetragen hatten. Die Ritter der Mauerwache waren ‚nicht schuldig‘ befunden und freigelassen worden, während zutage gekommen wäre, dass sich ein gewisser Vogt der Niederlassung des Ordens der Strahlenden Ritter in Grenzstadt mit einem Hauptmann verbündet hätte, um eine Rebellion anzuzetteln. Sobald dies scheiterte, hätten sie die Ritter der Mauerwache beschuldigt. Und nun, da die Wahrheit ans Licht gekommen wäre, hätte der lokale Komtur die Schuldigen der Gerechtigkeit zukommen und auf der Stelle hinrichten lassen.

„Die Gesellschaft behandelt Zivilisten immer schlechter… Selbst im Orden der strahlenden Ritter tauchen Verräter auf. Ich frage mich wirklich, was ihnen wohl von den Dämonen versprochen wurde…“, meinte Zhao, als er ein volles Bierglas an die Bar trug.

Gordon lächelte nur. Ohne weitere Worte hob er das große Glas an seinen Mund und trank das Bier mit einem einzigen Schluck.

„Wo ist eigentlich Rain? Warum sehe ich die Kleine nicht hier?“

„Sie… Ist im oberen Stockwerk und badet auf einem Liegestuhl in der Sonne. Ich habe sie wirklich im Stich gelassen…“, antwortete Zhao mit bitterem Lächeln, als ihn eine Welle an Trübseligkeit überkam.

„Geht es ihr etwas besser?“

„…Ihrer Stimmung schon.“

„Darf ich sie hochgehen und sie besuchen?.

„Hah… In Ordnung. Sie hat keine Freunde und kann sich nur mit dir unterhalten…“

…………….

Auf dem Balkon des oberen Stockwerks der Taverne lag ein junges Mädchen, welches keinen Tag älter als fünfzehn wirkte, auf einem Liegestuhl. Ihre zierlichen Gesichtszüge erinnerten an die einer Porzellanpuppe.

Rain schien Angst vor der Kälte zu haben; Eine Decke bedeckte das Kleid im westlichen Stil, welches sie trug. Ihr langes, schwarzes Haar hing lose zu Boden und ihren wunderschönen, schwarzen Pupillen fehlte jeglicher Glanz. Stattdessen erfüllte sie eine leere, schreckliche Dunkelheit.

Wie üblich, fühlte Rain, welche es gerade genoss, sich in den Strahlen der Sonne des Nachmittags zu sonnen, wie jemand sanft eine Hand auf ihre Schulter legte.

„Gordon? Bist du es?“

„Oh? Du erkennst mich, auch wenn ich nichts gesagt habe?“, lächelte Gordon, als er zärtlich die Wangen des Mädchens drückte.

„Ich bin doch schon fünfzehn, also bitte behandle mich nicht mehr wie ein Kind. In Ordnung?“ Rain schürzte ihre Lippen, anscheinend mit Gordons Handlungen unzufrieden.

„Haha. Hast du einen Traum, Rain? Möchtest du eventuell eine Tänzerin oder so werden?“

„Nein…“, schüttelte Rain hektisch ihren Kopf.

„Hm? Wirklich gar keinen?“

„Wenn ich etwas wählen muss, dann, einmal dein Gesicht zu sehen.“

„Hehe, ich möchte wirklich gerne mal sehen, ob dein Gesicht so gut aussieht, wie ich es mir vorstelle.“, scherzte Rain lächelnd weiter.

„Das ist dein Traum?? Ist das nicht zu wenig? Was soll an meinem Gesicht denn ansehnlich sein?“, neckte Gordon zurück.

„Aber…“ Rain wandte ihren Kopf zur Seite und versuchte, ihre leeren Augen in Richtung Gordon zu wenden. „Das ist ein unerfüllbarer Traum für mich.“

„Ich bin links von dir, Rain.“

„Hä? Ist das so? Oh…“, meinte Rain, als es ihr im zweiten Versuch gelang, ihren Kopf in Richtung Gordon zu drehen.

„Dein Traum ist überhaupt nicht unerfüllbar. Was sagt der alte Zhao immer? Wenn du jeden Tag in der Sonne badest, wirst du sicherlich irgendwann wieder sehen können.“

„Pfft…“, lachte Rain auf und bedeckte ihren Mund. „Glaubst du wirklich dem Märchen, das mein Vater erfunden hat? Ich habe den Glauben daran schon vor langem aufgegeben.“

„Warum badest du dann immer noch jeden Tag in der Sonne? Hältst du dich damit nicht an einer Spur Hoffnung fest?“

„…“ Rain schwieg nur.

„Zhao hat nicht gelogen.“ Gordon lächelte warm. „Wenn ich mir deine Augen ansehe, sehe ich, dass sie sich schon mehr oder weniger erholt haben.“

„Gordon, es ist wirklich nicht nett, eine Behinderte so zu belügen.“

„Haha, ich habe noch nie gelogen.“, lachte Gordon, als er Rain leicht über den Kopf strich. Vorsichtig schloss er seine Augen und murmelte leise einige sich wiederholende Silben. Seine Stimme erschien so warm und einladend wie die Sonne.

“Puar emisit, veda en demum tuem Senctus Deminus… …dimittet vebis pacaete vastre…”

Ein heller Schein warmer Farben verließ Gordons Hand. Wie kleine, intelligente Geister stoben verschiedene Farben auseinander und fanden ein Ziel in Rains Augen, welche sie nacheinander berührten…

„Schlaf gut, kleine Rain.“ Gordon tätschelte sanft den Kopf des Mädchens. Sie war mit geschlossenen Augen eingeschlafen. „Wenn du wieder aufwachst, wird dein Leben neu starten.“, sagte er noch, bevor er den Balkon verließ.

Einige Zeit verstrich…

„…Hä? Bin ich eingeschlafen? …Grodon, bist du immer noch hier?“ Rain hob die Lider ihrer Augen, wie sie es immer tat – etwas, was ihr stets bedeutungslos vorgekommen war.

Jedoch begrüßte sie, als sie ihre Augen öffnete, blendendes Sonnenlicht.

Sie erblickte beschäftigte Straßen, die sengend warme Sonne, rote Kacheln, die Ziegel eines Gebäudes und den klingelnden Glockenturm in der Ferne. Dieses grelle Schauspiel von Farben und die beschwingten Gesichter der Passanten auf der Straße brannten sich sofort in ihre Erinnerung.

„D-Das ist…“ Tränen füllten Rains Augen, als diese Eindrücke weiter auf sie einprasselten.

…………….

„Also, was für eine Person ist die Hochmeisterin?“

„…“ Lan Yi blieb abrupt stehen.

„…Eine kalte und unnahbare Killerin, die ihre Entscheidungen emotionslos trifft; Doppelzüngig mit einem Komplex für ihre Tochter.“

Ji Bai runzelte leicht die Brauen. „Bei dem, was du sagst, kommt es mir so vor, dass ich Angst haben sollte…“

„Jedenfalls war sie früher so. Und jetzt… Du solltest alleine reingehen und wirst erkennen, was ich damit meine, wenn du sie triffst.“, sagte Lan Yi kurz, bevor sie sich umdrehte und Ji Bai alleine zurückließ.

Die Fledermausförmigen Statuen, welche das Dach des Gebäudes vor ihm zierten, gaben ihm das Gefühl, wieder zu seinem Gefängnis zurückgekehrt zu sein.


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