Kapitel 92 – Gordon Austin
Previous Chapter|Index|Next Chapter
Kapitel 92 – Gordon Austin1
In einem düsteren, illegalen Casino:
Frenetisches Schreien und zu Wetten auffordernde Rufe durchzogen den Ort. Unterdessen bedienten Kellnerinnen die erregten Glücksspieler mit Tee und Wein, während sie ihre wohlentwickelten Körper zur Schau stellten; Einige schmiegten sich mit gar gegen die Arme der Süchtigen im Versuch, ihnen mit romantischer Stimmung und verführerischen Blicken noch mehr Geld zu entlocken. Sie versuchten, den Eindruck zu erwecken, alles zu tun, was man ihnen sagen würde.
Die Blicke der Glücksspieler waren fest auf die Spielchips gerichtet, jedoch bewegten sich ihre Hände unkontrollierbar zwischen den Kellnerinnen und den Tischen vor ihnen hin und her.
Die gesamte Szenerie war voller Wollust und Dekadenz, verrottet bis zum innersten Kern. Für süchtige Glücksspieler hingegen war es ihr Elysium2.
„Was machst du da?! Starre keine Löcher in die Luft, kleine Jiu3! Beeil dich und bring den Wein zu Raum 12! Der Chef und ein Gast sind gerade in einer Besprechung. Wenn du unsere Gäste vernachlässigst, werde ich dich feuern und anschließend zu Tode hungern lassen!“, schrie die Betreiberin des Bordells eine junge, leicht langsam wirkende Kellnerin an, welche erst vor einigen Tagen hier zu Arbeiten begonnen hatte, während sie sich selbst schweres Puder auf das Gesicht auftrug.
„E-Es tut mir leid! Ich werde sofort den Wein dahin bringen…“, nickte jene, welche alle nur ‚kleine Jiu‘ nannten, hastig.
Sie sah ungefähr wie 17 oder 18 Jahre alt aus und hatte hellblaue Haare, welche ihr bis auf die Schultern fielen, lange, dichte Wimpern und zudem noch helle, feine Haut. Ihre jugendliche Figur war wie eine unreife Blumenknospe, welche noch keine Wachstumszeichen zeigte – wie eine junge Frau, welche sich noch nicht in der Welt zurechtfand.
Eigentlich sollte eine junge Frau auf der Höhe ihrer Jugend nicht an solch einem Ort sein…
Bevor Jiu aufbrach, brachte sie ihr Erscheinungsbild noch in Ordnung – vor allem zog sie den Stoff, der ihre Schlüsselbeine freiließ, weiter nach oben. Anschließend trug sie vorsichtig ein Tablett mit Weingläsern und -Flaschen mit beiden Händen zu einem geschlossenen Raum, welcher sich im Stockwerk über dem eigentlichen Casino befand.
„E-Entschuldigen sie bitte.“, brachte Jiu mit gesenktem Kopf vor, als sie behutsam die Tür öffnete.
Sobald sie den Raum betrat, fühlte sie einen schweren Blick über ihren Körper wandern. Es fühlte sich so an, als ob eine unsichtbare Hand über ihre Haut streichen würde. Dies ließ sie leicht erzittern.
„Hehehe, komm her, kleine, komm zu mir.“, wies sie ein Mann, der einen hochwertigen Anzug, sowie ein freundliches Lächeln auf den Lippen trug, an. Ihm gegenüber saß ein Mann, dessen Kopf ein dunkler Zylinder zierte.
„…I-In Ordnung.“, brachte Jiu nur vor. Der Blick, der gerade erst über sie gewandert war, hatte sie ängstlich gemacht.
„Was stehst du da rum?? Hast du den Befehl unseres Gastes etwa nicht verstanden?“, fuhr sie der zylindertragende Mann an, dessen Hände flach auf einem Tisch lagen.
Er war ihr Chef.
„Ja, verstanden!“
Schüchtern näherte sich Jiu dem Tisch, immer noch das Weintablett in ihren Händen.
„Komm doch, habe kein Angst. Du musst dich nur auf meinen Schoß setzen.“, sagte der freundlich wirkende Mann mittleren Alters, als er sich auf einen Spazierstock stützte und auf seinen Oberschenkel klopfte.
Einen Augenblick lang zögerte Jiu noch. Doch als sie sah, wie sich der Blick ihres Chefs immer weiter verdüsterte, beeilte sie sich, der Aufforderung folge zu leisten und setzte sich auf den Schoß des wohlgekleideten Mannes.
„Gut… Wie alt bist du, kleine?“
„Sieb-… Ahh~“
„Hmm? Was ist?“
„N-Nichts…“, antworte Jiu ihm, die mit aller Macht die Erniedrigung aushielt. „Ich bin Siebzehn, verehrter Gast…“
„Oh? Und was ist dein Name?“, fragte sie der Mann, immer noch ein freundliches Lächeln im Gesicht.
„M-Mich nennen alle kleine Jiu…“
„Kleine Jiu? Mhm, ein guter Name.“, lächelte der Mann. Doch zeigte er kein Anzeichen, sie laufen zu lassen. Stattdessen wirkte es eher so, als ob er sie nie mehr freilassen würde…
„Herr Rohter, ich frage mich, ob der Komtur Eurer Niederlassung zufrieden mit unserer Hilfe ist?“, fragte der Mann mit schwarzem Zylinder kalt.
„Oh!“, wandte sich der Mann mittleren Alters wieder seinem Gegenüber zu. „Natürlich, natürlich. Mein Lord hat mir gesagt, dass er sehr zufrieden ist. Nur war die Menge der Lieferung etwas geringer als erwartet…“
„Das wird kein Problem bleiben. Ich hoffe nur, dass sich Lord Lan an die Einigung erinnern wird, die wir getroffen haben, sobald er sein Ziel erreicht haben wird.“, sprach der Besitzer des Casinos mit leicht gesenktem Kopf.
„Das versteht sich von selbst. Die Versprechen meines Lords können in Gold aufgewogen werden… Also, ist es wirklich möglich, den Nachschub von ‚Waren‘ zu erhöhen?“
„Wie ich gesagt habe, ist das kein Problem.“
„Hahaha! Wunderbar, mein Lord hat viel für direkte und aufrichtige Leute wie Sie übrig. Seien sie unbesorgt, niemand wird es wagen, diesen Distrikt anzufassen. Das wäre schließlich gegen den Willen der Regierung! …Mein lieber Herr Mo, auf eine zufriedenstellende Zusammenarbeit.“
„Auf eine zufriedenstellende Zusammenarbeit.“, entgegnete ihm der zylindertragende Mann entmutigt und nickte. „Und bitte richten Sie Lord Lan meine Dankbarkeit aus.“
„Eine zufriedenstellende Zusammenarbeit?“, mischte sich aus dem Nichts eine Stimme ein. „Ich befürchte, dass es dazu nicht kommen wird.“
Niemand anderes als die zierliche Jiu hatte gesprochen. Doch war ihr Gesicht in diesem Augenblick voller Ernst und Eiseskälte.
Dem Mann mit Zylinder wurde klar, dass irgendwas fehl am Platz war.
„Tch, keine Jiu, du bist ein wenig zu jung für sowas.“, meinte der Mann mittleren Alters nur. „Es ist besser, wenn du dich nicht in Angelegenheiten Erwachsener einmischst… Andernfalls…“ Doch innerhalb eines Sekundenbruchteils machte sein Gesichtsausdruck eine Achterbahnfahrt der Gefühle durch, als er den Dolch, der auf seinem Hals zu schnellte, bemerkte. „AHHH!“
„Bleib mir fern, du alter Per-verser!“, rief Jiu, wischte die Hand weg, welche auf ihrem Oberschenkel gelegen hatte und stieß dem Mann mit freundlichem Gesichtsausdruck ihre Waffe in den Kehlkopf.
„Es ist eine Verschwendung frischer Luft, einen schrecklichen Beamten, der Bürger nur als Beute sieht und sie grausam ausbeutet, am Leben zu lassen.“ Ein böses Lächeln legte sich auf Jius Lippen und zierte ihr junges und schönes Gesicht. „Stirb, Abschaum.“, sagte sie und rotierte den Griff ihres Dolches. Dies zerschmetterte die Kehle ihres Opfers.
Dieses fiel nun, einen aschfahlen Gesichtsausdruck tragend, mit einem stumpfen Geräusch zu Boden. Schon nach kurzer Zeit erstickte er.
Alarmiert stand der zylindertragende Mann auf. „Wessen Handlanger bist du, Göre??“, schrie er wutentbrannt. „Wie kannst du es wagen, einfach hereinzuspazieren und Probleme zu verursachen!!“ Mit seinen Händen begann er hinter seinem Rücken lautlos einige Runen zu formieren.
„Schau doch mal genauer hin, ich bin ein Mann.“, sprach ‚Jiu‘, nun mit nicht mehr verstellter Stimme und einem angewiderten Blick tragend.
„Ich habe diesen Ort schon seit einigen Tagen überwacht4. Anfangs hatte ich nur einen unbegründeten Verdacht, was mir keine Möglichkeit ließ, als mich als Kellnerin zu verkleiden und einige Tage lang zu arbeiten…“, führ ‚Jiu‘ fort, nahm die Perücke vom Kopf und schmiss sie auf den Boden – ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen.
„Aber anscheinend war es nicht umsonst, schließlich bin ich dir auf die Schliche gekommen, Mitglied des Kults des Uralten Gottes.“
„Ich denke… du suchst den Tod!“, rief der Besitzer des Casinos aus, bevor er eine Beschwörung begann: „Mein Herr, bitte beschützt Euren unwichtigen Gläubigen!“ Eine seiner Hände schnellte – in dunkle, lilane Flammen gehüllt, auf ‚Jiu‘ zu.
[Magie der zerstörenden Klasse – Lilane Flammenklauen des Uralten Gottes]
Die Energie, die die Attacke freiließ, verzerrte die umliegende Luft und die Temperatur der dunklen Flammen hinterließ schwarze Brandspuren auf dem Boden.
„So viel Vertrauen in diese Kraft? Aber am Ende des Tages, ist sie nicht deine eigene…“, meinte ‚Jiu‘, einen weiteren Dolch hinter dem Rücken haltend.
[Magie der gewöhnlichen Klasse – Schneller Defensiver Konter]
Die magische Attacke prallte gegen den Handschutz des Dolches und ließ Funken fliegen.
Der zylindertragende Mann stolperte und fiel dabei fast zu Boden. „Wie… Wie kann das sein!?“
‚Die zerstörende Magieklaue, die mir der Dämonengott gegeben hat, ist von einer gewöhnlichen Schwertechnik besiegt worden… Wie ist das möglich?! Ich habe doch schon ohne jegliche Probleme mit derselben Technik Tempelritter töten können…‘
„Fühlt es sich für euch alle wirklich so wunderbar an, die Lakaien eines bösen Kultes zu sein und Stärke zu nutzen, die nicht eure ist?“ Die Absicht, zu töten blitzte eiskalt in ‚Jius‘Augen auf.
„Du solltest dein erbärmliches Leben beenden und deinen ängstlichen [Gott] selbst treffen!“
“RALIETUM vestum canis… …Peccetor ast senguis florua ire scintilles…5”, rezitierte ‚Jiu‘ einige obskure, komplexe Worte. Deren verschieden Silben überlappten einander und verwoben zu einem Laut, welcher keiner Sprache lebender Wesen ähnelte.
„D-Das ist…“ Vor ‚Jiu‘ materialisierten sich rote und schwarze Runen in der Luft und verschwammen zu einem einzigen Zauber der sengenden Energie.
„Ist- Ist das die Sprache der Geister!? …Unmöglich! Wie kann ein Mensch, der gegenüber dem Herren so schwach ist, Geistersprache nutzen?? … I-Ist das Magie??“ Die einzige Antwort, die der Mann mit Zylinder bekam, war ein sengender, menschengroßer Feuerball.
„Erinnere dich bitte daran, dass der, der dich getötet hat, Gordon heißt; Gordon Austin. Bitte erzähle das deinem dunklen Lord.“, erklang noch ein letztes Mal ‚Jius‘ Stimme; Darauf folgte alsbald das dröhnende Geräusch einer Explosion.
Previous Chapter|Index|Next Chapter
- Ich finde dieses Kapitel irgendwie ein wenig unnötig, da es einen neuen Charakter auf einer eher ‚unnötigen‘ Art und Weise einführt. Ich hätte lieber anstatt dem, was hier im Kapitel geschieht, von einer spannenden Infiltration gelesen…
- Elysion/Elysium, oft auch frei übersetzt mit ‚Elysische Felder‘ (von Campus Elysius) oder ‚Insel der Seeligen‘ ist in der griechischen Mythologie der Ort/die Insel in der Unterwelt, welcher dem Walhalla in der Nordischen Mythologie und ähnlichen Orten anderer Indo-Europäischer Mythenwelten entspricht. Ich habe mich hier gegen die Übersetzungsmöglichkeiten ‚Himmel‘ und ‚Paradis‘ entschieden.
- Eigentlich würde ich hier Xiaojiu als Name nutzen. Jedoch nutze ich ‚kleine Jiu‘, da dies eher wie ein Spitzname klingt, was zu dieser Art an Ort passt.
- Ähm, und wieso hast du dich dafür verkleidet? Reicht es nicht eventuell, möglichst unentdeckt zu spionieren?
- Das ist mal nebenbei gesagt von Latein inspiriertes Gebrabbel. Ich frage mich, ob der Autor einen Lorem Ipsum-Generator genutzt hat XD